PFULLINGEN. Sollten sich Pfullingen oder Reutlingen und die Region je überlegen, ein größeres Klassikfestival zu etablieren, sollte unbedingt der Verein Opera Laiblin mit an Bord sein. Was dieser in den Pfullinger Hallen auf die Beine gestellt hat, kann man nur bravourös nennen. Die 1874 in Wien uraufgeführt Operette »Die Fledermaus« von Johann Strauß (Sohn) erlebt dort bis Freitag, 27. Oktober, mit jungen Sängerinnen und Sängern und einem ebensolchen Orchester eine Neuauflage, die staunen lässt. So viel versammeltes Talent auf und vor der Bühne! Bei der Premiere am Dienstagabend gab es, nachdem immer wieder Szenenapplaus aufgebrandet war, am Ende stehende Ovationen.
Wundern muss all das nicht, hat die Opera Laiblin, die 2017 durch Musikstudentinnen und -studenten verschiedener Musikhochschulen in Baden-Württemberg und junge musikbegeisterte Menschen aus Pfullingen und Umgebung entstand, doch schon bei früheren Produktionen ihren hohen Anspruch unterstrichen: mit »Figaros Hochzeit« 2017, dem »Freischütz« 2019. Seit 2020 ist die Opera Laiblin ein eingetragener Verein.

Das Kreativteam (Gesamtkonzept und Regie: Constanze Barocka und Elisabeth Scharkin) hat für die Inszenierung ein 1920er-Jahre-Setting gewählt und füllt das mit reichlich Schauwerten. Bei den Kostümen (Ausstattung: Ute Raisch und Elisabeth Strehle-Thron) überwiegt ein lässig zur Schau getragener Chic. Das Bühnenbild macht großzügig ausgestattete Salons glaubhaft und karg eingerichtete Gefängniszellen.
Joachim Schönball dirigiert ein Kammerorchester, das gerade mal mit einem Dutzend Musikerinnen und Musikern auskommt und bereits in der Ouvertüre jede Menge Laune und Liebreiz versprüht. Wobei es auch beschwipste Melodien, tonmalerisch entlarvte Intrige und Falschheit vor dem Publikum ausbreitet, das Michael Braunger (musikalischer Gesamtleiter im Opera-Laiblin-Team) in der Rolle von Orlofskys Assistent gleich zu Beginn zu Mitwissern eines Rachekomplotts macht.
Aufführungsinfo
Die Opera Laiblin spielt die »Fledermaus« noch am Donnerstag und Freitag, 26. und 27. Oktober 2023, in den Pfullinger Hallen. Die Vorstellung am Freitag ist nach Veranstalterangaben nahezu ausverkauft, für den Donnerstag waren bis Redaktionsschluss noch Karten verfügbar. Weitere Infos gibt es unter www.opera-laiblin.de. (GEA)
Denn Dr. Falke hat noch eine Rechnung mit Gabriel von Eisenstein offen, was mit einer vorangegangenen Demütigung im Fledermaus-Kostüm zusammenhängt. Mit charaktervollem Bariton, düster dreinblickend oder mit süffisantem Lächeln im Gesicht gibt Frazan Adil Kotwal diesen Dr. Falke und reiht sich ein in eine Solistenschar, die sich stimmlich und darstellerisch keine Blöße gibt.
Was für ein Vergnügen, die Turbulenzen, in die Falke die feine Gesellschaft stürzt, mitzuerleben! Auch, wie deren Exponenten sich mit ihrem heimlich ausgelebten Hedonismus und dem Hang zur Verstellung und Maskerade selbst entlarven. Die von Lizaveta Volkava mit Verve verkörperte Rosalinde etwa, die sich ebenso wie ihr Mann Eisenstein (Leopold Bier) außer Haus vergnügt. Und ihm dabei bei einer Sause maskiert in die Arme läuft. Volkava und Bier begeistern mit ihrem hinreißend gestalteten »Uhrenduett«, Orlofksy und die Festgesellschaft einschließlich des glänzend agierenden Chores mit dem »Champagnerlied«.
Der Ernst, mit dem etwa auch Hans Porten als Gefängnisdirektor Frank, Timm Schuhmacher als Alfred oder Benjamin Maier als Dr. Blind ihre Rollen anlegen, weisen sie als wunderbare Komödianten aus. Wenn Lizaveta Volkava als Rosalinde mit ihrem lebendigen Spiel, ihren Koloraturen und Spitzentönen besonders bezaubert, steht ihr die wunderbare Johanna Pommranz als Adele in nichts nach. Maria Magdalena Wessel weiß als Adeles Schwester Ida zu überzeugen, Aron Hagemann als Gerichtsdiener Frosch.
Der Csárdás, die Arie Orlofskys, Adeles Arie »Mein Herr Marquis« oder auch der Chorwalzer »Brüderlein und Schwesterlein«: Die Liste der Ohrwürmer ist lang, die einen in die Pausen - zwei davon gibt es, die Aufführung dauert drei Stunden - und später in die Nacht begleiten. Durchweg heiter gestimmt und vom Gefühl erfüllt, den Abend über glänzend unterhalten worden zu sein. (GEA)

