Logo
Aktuell INTERVIEW

Nie wieder Moskau für die Altrocker der Scorpions?

Klaus Meine und Matthias Jabs sind mit den Scorpions auf Dauertour. Nur nicht in Russland.

Foto: nicht angegeben
Foto: nicht angegeben

HANNOVER. Die Scorpions setzen im Mai und Juni ihre »Rock Believer«-Weltournee fort, wollen aber nicht mehr in Russland auftreten. Ihr Welthit »Wind of Change« gilt als die meistverkaufte Single einer deutschen Band aller Zeiten. Klaus Meine, der am 25. Mai 75 Jahre alt wird, hat den Song wegen Putins Vernichtungskrieg gegen die Ukraine umgeschrieben. Mit dem Sänger und seinem Bandkollegen Matthias Jabs (66) sprachen wir in Hannover über ihre Freundschaft zu AC/DC, Russland und Auftritten vor Punkfans.

GEA: War es ein Standortvorteil, eine Weltkarriere von Hannover aus zu starten?

Matthias Jabs: Es war definitiv härter und schwieriger, als wenn wir eine englische oder amerikanische Band gewesen wären. 1979 sind wir zum ersten Mal in die USA gegangen, weil dort die große Managementfirma von David Krebs und Steven Leber auf uns aufmerksam geworden war. Unser Vorteil war, dass wir dann mit Ted Nugent und AC/DC für sechs Monate auf Tour durch große Hallen gehen konnten, wo wir als Vorband einen bleibenden Eindruck hinterließen.

Wie erinnern Sie den legendären AC/DC-Frontmann Bon Scott?

Jabs: Als einen ganz netten Typen. Klar ist er an zu viel Alkohol gestorben, aber wir haben damals gar nicht empfunden, dass er viel zu viel trank. Unser Verhältnis zu der ganzen Band war von Anfang sehr gut. Als AC/DC einmal hier in Hannover spielten, richteten sie uns eine eigene Garderobe ein und kamen nach dem Konzert dazu. Und nach ihrer Show im Niedersachsenstadion Jahre später unterhielt ich mich zwei Stunden mit Angus. Mein Sohn war dabei. Brian Johnsons Bruder ist ihr Koch. Wir haben dann noch zusammen gegessen. Mit den Jahren haben wir gemeinsam viel erlebt, das verbindet.

In New York spielen Sie regelmäßig im Madison Square Garden …

Klaus Meine: Voriges Jahr im Mai haben wir dort ein Concert for Bangladesh gespielt. 30 Jahre nach George Harrisons legendärem Konzert wollte Bangladesh 50 Jahre Unabhängigkeit feiern – mit einer Show von uns. Wir sind in dem Land sehr populär, obwohl wir nie dort gewesen sind. Schauen wir mal, wo uns die Reise noch hinführt.

Jabs: Einmal sind wir über Bangladesch geflogen und haben in einem Stadion in Shillong gespielt. Das gehört zu Indien. An dem Tag bekamen die Kinder dort schulfrei.

Ist ein Leben ohne die Scorpions für Sie denkbar?

Jabs: Wir denken darüber nur wenig nach. Jetzt geht es für uns erst einmal sehr spannend weiter. Nach Südamerika ist das Highlight definitiv Hannover. Und dann schauen wir mal.

Der Originaltext von »Wind of Change« ist Bestandteil der Dauerausstellung der Rock and Roll Hall of Fame in Cleveland/USA. Was ist das für ein Gefühl, dort vertreten zu sein?

Meine: »Wind of Change« ist ein Teil unserer Geschichte, einer sehr positiven Erzählung – bis zum 24. Februar 2022. Aber der Song hat gerade die Milliardenmarke bei Youtube geknackt. Das zeigt, dass er immer noch sehr relevant ist.

Sie haben »Wind of Change« umgeschrieben. Statt »Follow the Moskva / down to Gorky Park« heißt es nun: »Now listen to my heart / it says Ukrainia«. Mit welchen Gefühlen singen Sie den Song?

Meine: Ich singe ihn heute mit dem Gefühl der Solidarität für die Ukraine. Das war der Grund, dass ich diese Zeilen geändert habe. Wir sind der Meinung, dass man »I follow the Moskva / down to Gorki Park / let your Balalaika sing« nicht mehr singen kann. Es hat leider seit der russischen Invasion in der Ukraine einen bitteren Beigeschmack. Deswegen gibt es jetzt diesen neuen Text. Durch die Verhältnisse, in denen wir zurzeit leben – die ukrainischen Flaggen vor der Bühne und die Emotionen der Fans –, hat das Ganze noch eine andere Dimension bekommen. Wir alle hoffen, dass dieser furchtbare Krieg bald vorbeigeht.

Sie wurden als erste westliche Rockband nach Leningrad eingeladen, wo Sie 1988 zehn ausverkaufte Shows spielten. Ein Jahr später traten Sie auch beim Moscow Music Peace Festival auf und entwickelten eine innige Beziehung zu Russland.

Jabs: Wir müssen jetzt davon ausgehen, dass wir dort nie wieder auftreten. Selbst wenn der Krieg in der Ukraine zu einem Ende kommt und Putin an der Macht bleibt, wird sich kein westlicher Künstler noch einmal nach Russland bewegen. 

Waren die wilden Zeiten auch besonders kreative Zeiten?

Meine: Absolut. Damals durch Amerika mit einem Tourbus zu reisen, hatte eine gewisse Rock ’n’ Roll-Romantik. Songs wie »Rock You Like a Hurricane« oder »The Zoo« beschreiben diese Eindrücke. Jeder Mensch, der zum ersten Mal in die USA fliegt und in Manhattan die Wolkenkratzer sieht, kann das nachvollziehen. Als Musiker reflektierst du alles, was du erlebst. Deswegen war das eine sehr fruchtbare Zeit, um Songs zu schreiben. Wir waren auch mit tollen Bands unterwegs. 1979 spielten wir als Opening Act von Ted Nugent, der damals sehr angesagt war. AC/DC waren bei der Tour Special Guest. Was für ein geiles Package! Und dann hat man irgendwo in Fort Wayne/Indiana mit Bon Scott zusammen gefrühstückt. Er sagte: »Hey, my name is Bon. What’s up? Let’s have breakfast together!«

Jabs: In dieser Zeit entstand ja diese ganze Musik erst. Plötzlich gab es MTV mit den ersten Videos. Man schaute bis spät in die Nacht dieses neue Medium. Die ganze Zeit entstand etwas Neues. 

1976 spielten Sie in England mit der legendären Punkband The Damned. Wie wurden Sie von den Punks aufgenommen?

Meine: Wir haben 1975 auch mit Motörhead gespielt. Die Punks haben uns genauso wie alle anderen angespuckt. Es konnte auch mal passieren, dass bei einer Metalband ein Schweinekopf auf die Bühne flog. Uns wurden in St. Louis und in Thailand Skorpione auf die Bühne geworfen. Echte.

Jabs: Das sollte eine angenehme Begrüßung sein. Es war als Anerkennung gemeint. Wir haben einfach weitergespielt.

Meine: Die Tierchen haben es auch überlebt. (GEA) 

Scorpions live: 21. Mai, Hanns- Martin-Schleyer-Halle Stuttgart