LUDWIGSBURG. Ein Neuer leitet die Ludwigsburger Schlossfestspiele: Lucas Reuter hat von Jochen Sandig übernommen. Der Sprung war für Reuter schon räumlich nicht weit: Seit 2011 hat er in Ludwigsburg das Programm im Forum am Schlosspark verantwortet. Wo auch die Schlossfestspiele regelmäßig gastieren.
Mit dem Neuen ist vieles anders. Das zeigte sich bei der Vorstellung des Saisonprogramms im barocken Palais Grävenitz, wo die Festspiele ihren Sitz haben. Vorbei die Zeit der poppigen Farbexplosionen auf Flyern und Programmheften. Nun dominiert einheitliches Orange. Vorbei die Zeit, da bei Pressekonferenzen nicht nur Musikprogramme referiert, sondern die Verpflichtung auf die UN-Nachhaltigkeitsziele beschworen wurden.
Betont klassisch
Reuter rückt stattdessen das Kerngeschäft ins Zentrum: die Klassik. Schon seine Frisur, die Puderperücken der Mozart-Ära zitiert, deutet darauf hin. Das Spielzeitbuch zieren nun Bilder, die wie barocke Stillleben aussehen. In Wahrheit sind es minutiös arrangierte Fotografien der US-Amerikanerin Vera Mercer. Der Fotokunst Mercers widmen die Festspiele eine große Ausstellung in der Porzellanmanufaktur. Reuter will Musik und Bildende Kunst stärker verweben. Innerhalb der Ausstellung gibt es zu bestimmten Zeiten live gespielte Musik von Geigerin Rakhi Singh.
Ansonsten steht klassische Musik im Zentrum, von Barock bis Moderne. Es finden sich Verbeugungen vor Bach, Telemann und Händel – aber auch ein Abend mit Musik von Filmmusik-Legende John Williams. Die Gaechinger Cantorey ist zu Gast; sie startet hier ihre Gesamtaufführung von Bachs drittem Kantaten-Jahrgang. Auch das 20. Jahrhundert wird beleuchtet, mit Gershwin, mit Strawinsky, mit einem Streichquartett von Winton Marsalis, der mehr als Jazzer bekannt ist.
Wenig Weltmusik
Kaum finden sich hingegen Weltmusik oder Jazz, was Reuters Vorgänger Thomas Wördehoff und Jochen Sandig zum Markenzeichen ausbauten. Weltmusik solle in späteren Jahren wieder eine Rolle spielen, verspricht Reuter; beim Jazz sieht er die Schwierigkeit, mit den Jazzopen zu konkurrieren.
Jazznah wird zumindest ein Abend mit dem Berliner Stegreif-Orchester – das von dem Reutlinger Hornisten und Jazztrompeter Juri de Marco gegründet wurde. Und das Klassik mit Improvisation und theatralischer Aktion verbindet. Nachwuchsarbeit ist zudem wichtig im Festival. So sind in eine Produktion Schüler von Musikgymnasien eingebunden. In einer anderen dürfen die Kleinsten aktiv werden.
Mozarts »Zaide«
Ein Schwerpunkt ist Mozarts unvollendete Oper »Zaide« in Zusammenarbeit mit der Stuttgarter Staatsoper und ihrer »Jungen Oper«. Im intimen, prächtig-barocken Schlosstheater geboten, erzählt das Stück von einer Sklavin im Osmanischen Reich. Anlass für Regisseurin Jessica Glause, den europäischen Blick auf den Orient sowie Migrationsgeschichten zu thematisieren. Sieben Aufführungen gibt es im Juni und Juli.
Die Finanzierung des Festivals sei »stabil«, sagt Reuter. Verantwortlich, dass es so bleibt, ist sein neuer kaufmännischer Leiter Johannes Ernst. Dieser erklärte, er verstehe seine Aufgabe wie Toni Krooß einst in der Fußballnationalmannschaft: »Hinten den Kasten sauber halten, nach vorne manchen Angriff wagen.« Die Zuschüsse von Stadt und Land seien für die nächsten beiden Jahre gesichert, versicherte Reuter. Ernst wies darauf hin, das Umfeld werde schwieriger – bei Land wie Stadt herrscht Ebbe in der Kasse.
Gastspiele renommierter Orchester
Das eigene Festspielorchester, lange Stolz des Festivals, hat sich nicht halten lassen. Reuter macht aus dem Verlust eine Tugend und profiliert die Festspiele als Plattform renommierter Orchestergastspiele. Diesmal spielt zum Auftakt am 31. Mai das Konzerthausorchester Berlin, dirigiert von Joana Mallwitz. Die Deutsche Radiophilharmonie Bremen bringt ein Richard-Strauss-Programm mit. Für den Finnen Pietari Inkinen am Pult wird es als letztem Chef des Festspielorchesters eine Heimkehr.
Das Royal Philharmonic Orchestra aus London spielt gleich zwei Konzerte im Schlosshof. Zum ersten bringt Stargeigerin Anne-Sophie Mutter Werke von Filmmusik-Ikone John Williams mit. Mutter und Williams sind eng befreundet; er hat mehrere Violinkonzerte für sie geschrieben, von denen eines zur Aufführung kommt, neben Musik aus Kinohits wie »Star Wars«. Eine Plattform will Reuter auch Klangkörpern aus dem Land bieten. Diesmal ist das Freiburger Barockorchester da, in späteren Ausgaben, soll auch mal die Württembergische Philharmonie zum Zug kommen.
Hochkarätige Tanzabende
Geblieben ist ein Schwerpunkt mit hochkarätigen Tanzproduktionen. Eine bestreitet der Finne Tero Saarinen mit Company am 20. Juli im Forum am Schlosspark mit seinem Stück »Borrowed Light« von 2004 – begleitet von den Sängern der Boston Camerata. Den zweiten Tanzabend gestalten Ballett und Orchester des Münchner Staatstheaters zum Finale am 31. Juli. Gershwins »An American in Paris« trifft dann auf Strawinskys »Le Sacre du Printemps«.
Neben dem Residenzschloss und dem Forum am Schlosspark ist man in Ludwigsburg auch – mit lauschiger Kammermusik – im Seeschloss Monrepos und im Schloss Favorite zu Gast. Ausflüge gibt es zudem in die Alte Kelter Bietigheim (als Vorspiel mit Musik-Radtour), ins Schloss Haigerloch sowie – als Epilog im September – ins Schloss Wolfegg in Oberschwaben. (GEA)