METZINGEN. Aktueller könnte der neue Krimi des Metzinger Autors Walther Stonet kaum sein: Eine Mordserie hält die USA darin mitten im Präsidentschaftswahlkampf in Atem. Während derzeit auch in echt Wahlkampf ist in den USA. Das einzige, was Stonet nicht vorhergesehen hat: dass die Demokraten kurzfristig mit Kamala Harris eine neue Kandidatin aus dem Hut zaubern würden. Bei ihm ist es noch Joe Biden, der gegen Trump antritt. Auch wenn die beiden bei ihm Jim Gliden und Ronald A. Dump heißen.
Ein geheimnisvoller Killer hat mit klinischer Perfektion mehrere gut situierte Anhänger der Demokraten umgebracht. Begleitet werden die Taten von Hassbotschaften im Netz. Die rechtsextremen Oath Keepers tun sich dabei hervor. Weshalb deren Chef Jim McClusky ins Visier der Ermittler gerät. Doch war der radikale Rechte es wirklich? Oder hat hier jemand eine falsche Fährte gelegt?
Wie heißt doch der Titel: »Nichts ist, wie es scheint«. Der 400-Seiten-Wälzer ist der dritte und mittlere Band einer auf fünf Bände angelegten Serie um den Tübinger Ermittler Graf Brühlsdorf. Der frühere Hauptkommissar und jetzige Privatermittler verfügt über fast unbegrenzte Geldmittel, eine eigene Firmengruppe, Privatjet und Hubschrauber. Vor allem aber ist er Mehrheitsteilhaber an einem Cybersecurity-Start-up, das ihm bei der Aufklärung der Fälle wertvolle Dienste leistet. Zudem arbeitet TJ Brühlsdorf an seiner zweiten Doktorarbeit. Wofür er sich auf die familieneigene Öko-Farm im US-Bundesstaat Nebraska abgesetzt hat. Wo die Mordserie ihren Ausgang nimmt.
Eigentlich will Brühlsdorf in Nebraska Abstand gewinnen. Ist er doch zwischen zwei hochattraktiven, intelligenten Frauen zerrissen. In den USA indes hat er flugs zwei weitere attraktive Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts an den Hacken: Minnie Ling, die Betreuerin seiner Doktorarbeit, und Seargent Estefania Hidalgo, die vonseiten der US-Polizei in den Fällen ermittelt. Binnen Kurzem ist Brühlsdorf an der erotischen Front nicht minder gefordert als an der kriminalistischen.
Insgesamt ist es wieder ein echter Stonet: flott erzählt, mit viel Einfühlung in die Figuren, mit Lust an abenteuerlichen Settings und einem übergroß strahlenden Helden. Sozusagen einer Tübinger Mischung aus James Bond, Ethan Hunt und Professor X. Das Liebesleben seines Helden nimmt dabei breiten Raum ein. Zwischendurch kann man ins Zweifeln geraten, ob man sich nicht eher in einer Erotik-Romanze befindet. Die Ermittlungen sind bei Stonet IT-gestütztes Nerd-Geschäft. Fälle werden hier durch effizientes Firmenhandeln im Cybersecurity-Sektor aufgeklärt. Da kennt Stonet sich aus: Im Hauptberuf ist er mit seiner Frau Inhaber einer solchen Firma.
Schade ist, dass die rechtsextremen Umtriebe in den USA zwischendurch aus dem Blick geraten. Einesteils, weil sich die Beziehungsthematik in den Vordergrund drängt. Andernteils, weil sich das Geschehen zeitweise nach Tübingen verlagert, wo die Bulgarenmafia für Unruhe sorgt.
Es ist ein typisches Stonet-Gemisch: Mission-Impossible-Spannung und Schwaben-Flair, Martial-Arts-Action und Politthriller, Cybersecurity-Nachhilfe und Bettromanze in einem. Mittendrin Hauptfigur TJ Brühlsdorf, der Superheld und verletzlich gleichzeitig ist. Ein reizvoll gebrochener Charakter, der an sich und seiner Situation leidet. Mal sehen, wie sich das in den noch ausstehenden beiden Bänden entwickelt. (akr)