TÜBINGEN. Eine Lanze für die französischsprachige Literatur brechen möchte der Prix Premiere, der vom Institut Culturel Franco-Allemand Tübingen (ICFA) und dem Institut Français Berlin ausgeschrieben wird. Prämiert werden Bücher von Autoren, die zum ersten Mal vom Französischen ins Deutsche übersetzt werden. So verschafft der Preis Einblick in die aktuelle Literatur des Nachbarlandes. Geehrt werden sowohl die Autoren wie die Übersetzer. Eine Jury hat nun die drei Finalisten bestimmt. Teil des Gremiums waren auch Übersetzerin Nicola Denis als Vorjahressiegerin und Manon Boutté vom ICFA Tübingen. Das letzte Wort haben die Leser: Bis 15. Februar können sie per Online-Vote für ihren Favoriten abstimmen.
Drei Romane sind diesmal im Rennen: das Familiendrama »Die Schlafenden« von Anthony Passeron, übersetzt von Claudia Marquardt (Piper Verlag), die Globalisierungs-Roadstory »Adikou« von Raphaëlle Red, übersetzt von Patricia Klobusiczky (Rowohlt Verlag), und die Geflügelindustriesatire »Die Ballade vom vakuumverpackten Hähnchen« von Lucie Rico, übersetzt von Milena Adam (Verlag Matthes & Seitz). Auf das Gewinner-Duo aus Autor oder Autorin und Übersetzerin wartet ein Preisgeld von 2.000 Euro.
Anthony Passeron: »Die Schlafenden«
In seinem Romandebüt »Die Schlafenden« kehrt Anthony Passeron in die 1980er-Jahre zurück. Eine konservative Metzgerfamilie in einem südfranzösischen Dorf wird plötzlich mit Dingen wie Heroinsucht und Aids konfrontiert. Onkel Désiré ist aus der Enge der Provinz nach Amsterdam geflüchtet und dort dem Rauschgift verfallen. Die zurückgebliebene Restfamilie auf dem Dorf droht, an ihrer Sprachlosigkeit vor Scham und Trauer zu ersticken.
Raphaëlle Red: »Adikou«
In »Adikou«, ebenfalls ein Romandebüt, spürt Raphaëlle Red den identitätsmäßigen Verwicklungen in einer von Migration geprägten Welt nach. Titelheldin Adikou weiß nicht, ob sie weiß oder schwarz ist, weiß nicht einmal, was genau ihre Muttersprache ist. Auf der Suche nach ihren Wurzeln landet sie Togo, der Heimat ihres Vaters, den sie kaum kennt. Entlang der Küste Westafrikas und bis in die USA führt Adikous Reise zu sich selbst und ihren Urgründen.
Lucie Rico: »Die Ballade vom vakuumverpackten Hähnchen«
Auf ganz andere Weise kehrt die junge Hannah zu ihren Wurzeln zurück. Nach dem Tod ihrer Mutter findet sich die überzeugte Vegetarierin im Dorf ihrer Jugend wieder - und vor der Aufgabe, den elterlichen Hühnerhof weiterzuführen. Eine Herausforderung, die sie auf ihre Weise annimmt: Jedem geschlachteten und einvakuumierten Hähnchen legt sie eine Biografie des Tieres bei. Die Geste der Wertschätzung macht »Hannahs Hähnchen« zum Kassenknüller - und katapultiert die Protagonistin ins Haifischbecken der Fleischindustrie.
Dorfentwurzelung oder globale Identitätssuche? Nachdenkliches Familiendrama, Roadstory oder satirische Durchleuchtung der Fleischindustrie? Die Leser haben die Wahl. Abstimmen können sie auf der entsprechenden Webseite des Institut Français. Verliehen wird der Preis im März 2025 auf der Leipziger Buchmesse. (GEA)