REUTLINGEN. Nachwuchsmusiker wie die Brüder Adam und Hamlet Ambarzumjan sind ein Geschenk für die kulturelle Welt. Charismatisch, engagiert, enthusiastisch und begnadet widmen sie ihre Zeit vollständig dem musikalischen Kosmos, der sich ihnen in vielfältiger Weise eröffnet. Am Wochenende war der Reutlinger Spitalhofsaal das Ziel ihrer Konzertreihe »Neustart Konzerte«, die die Brüder in der Pandemiezeit gegründet haben, um der Kultur wieder den Stellenwert zurückzugeben, den sie auch in Zeiten einer Pandemie haben sollte: ein unentbehrliches tägliches Brot für die Seele.
Beim Betrachten des Programms hätte man an ein beliebiges Gemisch denken können, und doch hatte genau dies seinen Reiz. Eben jenen Reiz, den die Brüder selbst versprühen: Vielfalt, Intensität und eine neugierige Leidenschaft. Und auch wenn Bearbeitung neben Originalwerk, Oper neben Klezmer und Barock neben Romantik stand, war es den Ambarzumjans ein Leichtes, in den jeweiligen Bereich einzutauchen und den anderen musikalischen Ort hinter sich zu lassen. Diese jugendliche Frische, gepaart mit einem sympathischen Anmoderieren der Werke, war für die Zuhörer ein Genuss, wenn man sich des Lachens und der Resonanz derselben entsinnt.
Eingespieltes Team
Was die Verbindung zwischen beiden Brüdern angeht, kann man getrost von einem eingespielten Team sprechen, von gegenseitiger Wertschätzung und einem gemeinsamen Atmen, mit dem auch kleinste Betonungen oder schnelle Läufe unheimlich synchron gelangen. Da entstand Atmosphäre, auf die man sich nur zu gerne einließ, eine inspirierende Aura.
Drei Werke, die Hamlet allein am Klavier vortrug, boten Adam unter anderem die Gelegenheit, das Instrument zu wechseln. Hamlet demonstrierte hier einen Reichtum an Klängen und Kenntnissen in unterschiedlichen Bereichen wie Barock, Romantik und Moderne. Bei Bachs Präludium und Fuge in As-Dur lag der Fokus weniger auf großer Schlankheit des Klangs, dafür umso mehr auf klarer Artikulation und der Begleitung jeder einzelnen Stimme.
Bei beiden Ambarzumjans spürt man Liebe zu ihrem Instrument, und so wundert es nicht, dass Giora Feidman für Adam auch in Erscheinung trat. In »Let’s Be Happy« ließ er Feidman und den jüdischen Klezmer in all seiner Qualität gegenwärtig werden, mit gezogenen Tönen, rauchig, flatternd, auch mit Stimmeneinsatz und seiner wehmütigen Fröhlichkeit. Ebenso lebhaft wurde in Sarasates »Carmen-Fantasie« die Klarinette in all ihren Facetten ausgekostet. Feurig, fingerfertig, trillernd und mit drahtiger Flinkheit gelang es, die Virtuosität einer Geige in die Klarinette zu übersetzen.
Bleibt nur zu hoffen, dass die Brüder Ambarzumjan nie ihren Elan und ihre dynamische Art, an Musik heranzugehen, verlieren. (GEA)