REUTLINGEN. Wenn man schon sonntagmorgens in der Stadthalle Reutlingen aufschlägt, kann ein Hallo-wach-Signal nicht schaden. Ums Thema Signale ging es denn auch in der neuesten Ausgabe der Reihe »Sonntags um elf« der Württembergischen Philharmonie. Und spätestens nach den »Signalen« des 2012 gestorbenen Reutlinger Urgesteins Karl Michael Komma dürften denn auch alle wach gewesen sein im Saal.
Das waren nicht mehr als 500, was die Veranstalter nicht zufriedenstellen dürfte. Sie muss sich erst noch durchsetzen, die Sonntagmorgenreihe - dabei ist das Konzept charmant. Die Sache bleibt kompakt, es gibt keine Pause, dafür wird flott moderiert. Wie Christoph-Mathias Mueller als Gastdirigent mit Schweizer Akzent und launigem Witz Kommas drei kurze Sätze erläuterte, machte allein schon Spaß.
Plötzlich tönt das Martinshorn
Mit kurzen Tonbeispielen im Ohr ging's in die Aufführung. Trompetenstöße und Trommelwirbel zerschneiden die Morgenträgheit. Dann gleitet man in einen heimlich pochenden Marsch, der sich immer mächtiger aufbaut. Abbruch, Stille, plötzlich die Flöten als Martinshörner - ein irrer Effekt. »Da gab es Lacher in der Probe«, verrät Mueller. »Wir haben uns gefragt, ob er das als Witz gemeint hat.«
Den lauschigen zweiten Satz durchwehen Signale aus anderen Sphären: Himmelsklang von Celesta und Harfe, Kuhglocken aus dem Hintergrund. Ehe im Finale die Hörner furios zupacken und der Fanfarenjubel mit voller Bläserpower schier überbordet. Schön, dass Kommas herrlich farbige Musik mal wieder zu hören war.
Signale vom Klassik-Genie
Passt Mozarts Klavierkonzert KV 451 zum Thema? Durchaus, den es startet mit einem gehämmerten Akkordschlag, aus dem alles weitere hervorgeht. Solist Konstantin Lifschitz ist indes weit entfernt, als Person signalhaft aufzutrumpfen. Er kommt, er setzt sich, er beugt sich über die Tastatur, er spielt. Showman-Posen? Fehlanzeige.
Sein Spiel jedoch ist kraftvoll und konturenstark, meidet dabei aber jeden äußerlichen Effekt. Statt Mozarts Motive wie filigrane Preziosen zu präparieren, lässt er sie in einem organischen Fluss aufgehen. Was mit dem warmen, runden Klangbild der Philharmonie unter Christoph-Mathias Mueller ein einnehmendes Ganzes ergibt. Der Mittelsatz wirkt dabei wie eine langgesponnene Erzählung, während im Finale spritzige Leichtigkeit im Vordergrund steht. Eine in komplexer Mehrstimmigkeit rauschende Zugabe gönnt der Solist dem Publikum - ohne zu verraten, was er spielt.
Gleich darauf tönen Signale aus der Vogelwelt: Kuckuck-Rufe nämlich aus Ottorino Respighis Suite »Gli uccelli« - also »Die Vögel«. Fast impressionistisch wirkende Klangmalerei schafft Mueller mit der Philharmonie hier. Ein Feenzauber, in den immer wieder Flötist Peter Eberl seinen Vogelruf wirft.
Fanfare der Freiheit
Schließlich die Leonoren-Ouvertüre Nr. 3 von Beethoven. Die ihrerseits mit einem markanten Signal aufwartet. Mitten im Tongewoge zwischen Kerkerfinsternis und Freiheitskampf marschiert einer der Trompeter hinaus - und von ferne schallt die Fanfare der Freiheit heran. Worauf sich der Pulverdampf verzieht und die Hoffnung obsiegt. Was unter anderem gefeiert wird von einem Duett von Flöte und Fagott - eine Kombination, die an diesem Vormittag auffallend oft zum Zuge kam.
Mit einer ordentlichen Portion Optimismus schicken Beethoven, Mueller und die Philharmonie die Hörer in den Sonntag. Und Optimismus ist wohl auch im Hinblick auf die Reihe selbst angebracht: Sie wird ihr Publikum mit ihrem charmanten Konzept noch finden. (GEA)