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Musik zur inneren Einkehr: Gli Scarlattisti in der Reutlinger Auferstehungskirche

»Scarlatti meets Bach«: Gli Scarlattisti gestalteten eine geistliche Abendmusik in der Reutlinger Auferstehungskirche. Das Ensemble besteht seit 30 Jahren.

Gli Scarlattisti in der Reutlinger Auferstehungskirche.
Gli Scarlattisti in der Reutlinger Auferstehungskirche. Foto: Dagmar Varady
Gli Scarlattisti in der Reutlinger Auferstehungskirche.
Foto: Dagmar Varady

REUTLINGEN. Auf vieles kann man in der Fastenzeit Verzicht üben, doch eines bleibt gerade in dieser Zeit für viele Menschen ein Verbündeter, nämlich die Musik. Nicht jede Musik ist zum Regenerieren und Ruhigwerden geeignet, doch aus der Barockzeit gibt es weniges, welches dieses Kriterium zum In-Sich-Einkehren nicht erfüllen würde.

Die geistliche Abendmusik am Samstag in der Reutlinger Auferstehungskirche hat die zahlreichen Zuhörer zweifellos durch all ihre Schönheit und Vollkommenheit zu einer inneren Andacht führen können. Vokalmusik von Domenico Scarlatti und Johann Sebastian Bach, und dies von einem solch hervorragenden Ensemble wie Gli Scarlattisti, vermag innerlich zu stärken und gleichzeitig Frieden zu stiften, alle Schärfe des Lebens hinwegzunehmen. Der paar Zahlen hätte es zur Rechtfertigung gar nicht bedurft, doch Bachs und Scarlattis 340. Geburtstag, Bachs 275. Todestag und das 30-jährige Bestehen des Ensembles sind definitiv Gründe zum Honorieren.

Transparent und zielgerichtet

Scarlattis »Stabat Mater« in seiner Zehnstimmigkeit, mit seiner meisterhaft gestalteten polyfonen Struktur lebt in seiner Motivik von enger Textausdeutung. Diese Gegebenheiten waren von den Sängern in größter Transparenz verwirklicht. Zielgerichtet und lebendig waren alle musikalischen Linien ganz subjektiv und greifbar modelliert. Dabei wurde sowohl auf die Affekte geachtet als auch auf den Klang im Gesamten. Ein zwischen den Stimmen ausgeglichenes und ganz bewusstes Musizieren war vorherrschend, eine ins Bewusstsein gedrungene, wohlüberlegte und doch flexible und elastische Vorgehensweise, kenntnisreich und sorgsam unterstützt von der kleinen Continuo-Gruppe und umsichtig geführt von Jochen Arnold.

Pfarrerin Astrid Gilch-Messerer ließ anschließend das Evangelium zur Grablegung Jesu anklingen, sodass die Thematik hiermit noch an Schärfe gewann. Die beiden anschließenden Motetten von Bach, »Jesu, meine Freude« und »Lobet den Herrn, alle Heiden«, führten dann weg von der reinen Trauer, hin zu anderen Sphären, bis zum Schluss die »Trauergeister« verscheucht werden sollten und man in BWV 230 ganz in Gottes Lob angekommen war. Die hier leicht aufgestockte Anzahl der Sänger unterstützte die musikalische Substanz der Bach’schen Musik. »Jesu, meine Freude« mit seinen abwechselnd eingeräumten Choral- und Bibelversen, ablenkend von weltlichen Dingen, wurde wiederum unheimlich sorgsam modelliert. Arnold hielt auf Gewissenhaftigkeit, Klarheit und eine reflektierte Herangehensweise, ohne die Inspiration zu vernachlässigen. Die Textausdeutung, die musikalischen Affekte waren in herrlicher Einheit ausgestaltet, und so konnte das darauffolgende BWV 230 als feierlicher Lobgesang das schlüssige Ende des Konzerts bilden, fließend, huldigend und frohlockend. Mit dem Gefühl einer genussvoll verbrachten Stunde ging man in den Abend hinaus. (GEA)