REUTLINGEN. Man kann in Konzerten bei toller Musik die Welt vergessen – aber weg ist sie deshalb noch lange nicht. Samt der Probleme, die rund um den Globus drängen, vom Raubbau an der Natur bis zur Schere zwischen Reich und Arm. Die Tübinger Latin-Band Grupo Sal packt beides in eins, Musik und den Diskurs über die Probleme der Welt. Das neue Programm trägt den Titel »Pluriversum«, was beides meint: den Abend selbst als Vielheit aus Musik und Info; jedoch auch die Welt insgesamt mit ihrer kulturellen wie ökologischen Vielfalt, die es zu erhalten gilt.
Alberto Acosta ist seit mehr als zehn Jahren bei diesen Programmen dabei. Er hat die Buen-Vivir-Bewegung gegründet, die sich für ein gutes Leben für alle Menschen einsetzt; er war Minister und Präsident der verfassungsgebenden Versammlung Ecuadors und hat sich mit alternativen Wirtschafts- und Entwicklungsmodellen auseinandergesetzt. Lateinamerika und generell der Globale Süden, kritisiert er, würden immer nur dann gehört, wenn es dort eine Katastrophe oder eine dramatische politische Situation gibt. Um Antworten auf die schwerwiegenden Probleme der Menschheit zu bekommen, sei es hingegen wichtig, Stimmen aus den verschiedensten Ecken der Welt zu hören.
Gegen das globale Ungleichgewicht
Stimmen wie die von Acosta selbst. Oder die von Sandra Weiss, in Mexiko lebende Journalistin, die sich mit Politik, Umwelt und organisierter Kriminalität beschäftigt. Beide moderieren den Abend. Als Zeitzeugin wird Yuvelis Natalia Morales aus Kolumbien dabei sein. Sie setzt sich in ihrer Heimat gegen die Gas- und Ölgewinnung durch Fracking ein, was schwerste Umweltschäden verursacht. Es verfestige zudem das globale Ungleichgewicht, so Acosta. Nutznießer sei der Norden, während der Süden die sozialen und ökologischen Folgen zu tragen habe. Die gerade einmal 20-jährige Yuvelis Natalia Morales werde aus eigener Anschauung berichten, wie sich diese Aktivitäten auf ihr Leben und ihre Gemeinschaft auswirken.
Konzertinfo
Der Abend »Pluriversum – Diskurse für eine gerechte Zukunft« beginnt am Samstag, 5. April, um 20 Uhr im franz.K in Reutlingen. Mitwirkende sind Alberto Acosta, Sandra Weiss, Yuvelis Natalia Morales, die Musikgruppe Grupo Sal und Johannes Keitel mit seinen Projektionen. (GEA)
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Die Situation in Südamerika ist Acosta zufolge wie ein Brennspiegel der globalen Probleme. Einerseits gehe der Raubbau an Natur und Rohstoffen unvermindert fort. Auf der anderen Seite wachse ein Umweltbewusstsein heran, inspiriert von der Vision einer Mutter Erde – "Pachamama – der indigenen Völker. Was in Ecuador sogar zur Verankerung der Rechte der Natur in der Verfassung geführt habe. Eine Bewegung, die in rund 40 Ländern der Welt, so auch in Deutschland, Nachahmer gefunden hat. Zudem sei es gelungen, mit einer Volksbefragung die Ölförderung im Amazonasgebiet Ecuadors zu stoppen – ein historischer Erfolg.
Für Hirn und Herz
Nun sprechen politische Diskussionen vor allem den Kopf an, weniger das Gefühl. Deshalb verbinde man im franz.K Musik und Information, Herz und Hirn: »Wir müssen über andere Welten nachdenken und die Türen zu allen Visionen und Vorschlägen öffnen, die es auf unserem Planeten gibt, im Sinne des Pluriversums. Das ist ein immer dringenderes Bedürfnis in einer immer komplexeren und ungerechteren Welt, in der der Frieden in Gefahr ist.«
Im Sinne des »Pluriversums«, sprich einer Vielfalt von Perspektiven, ist auch der Projektionskünstler Johannes Keitel mit seinen Arbeiten dabei. Acosta: »Musik und Sprache sind wichtig in unserem Leben, aber sie sind unvollständig, wenn wir nicht auch anderen Sinnen, wie dem Sehen, Raum geben. Und dafür arbeiten wir mit einem großen Künstler wie Johannes Keitel, der es uns ermöglicht, eine leuchtende Atmosphäre voller Farben zu schaffen, die uns auf die enorme Vielfalt von Stimmen, Lesarten, Vorschlägen und Alternativen einstimmt, die aus dem Pluriversum hervorgehen.« (GEA)