REUTLINGEN. Nein, Umberto Ecos Roman und auch die Verfilmung mit Sean Connery und Christian Slater heißen nicht »Im Namen der Rose«. Da spielt die Erinnerung auch manchem im Team des Reutlinger Theaters Die Tonne einen Streich. Und so ist das Wort »Der« in »Der Name der Rose« auf Plakaten und Flyern - doch eher ungewöhnlich - hervorgehoben.
Die Tonne bringt den Klosterkrimi - empfohlen ab 14 Jahren - als Reutlinger Sommertheater unter freiem Himmel im mittelalterlichen Ambiente des Spitalhofs heraus. Premiere ist am Donnerstag, 10. Juli, um 20 Uhr. Bis zum 3. August gibt es dann 17 weitere Vorstellungen. Die Buch-Übersetzung stammt von Burkhart Kroeber, den Stoff für die Bühne eingerichtet hat Claus J. Frankl.
Viele Bedeutungen
Doch wofür steht der Titel überhaupt? Eco (1932-2016) habe ihn bewusst mehrdeutig gehalten, sagt Karin Eppler, die das Stück inszeniert. »Der Name der Rose« könnte nahelegen, dass es um eine Art von Flora geht. Oder um das namenlose Mädchen, das in dem Stück auftritt. Auch könnte der Titel Bezug auf eine mittelalterliche Rundbibliothek nehmen, die von oben betrachtet an die Blätteranordnung einer Rose erinnert. Außerdem möglich, so Eppler: die Rose als Sinnbild der Vergänglichkeit, »ein typisches Vanitas-Motiv«. Eco habe einen Titel gewollt, der »sozusagen tausend Bedeutungen hat, aber keinen klaren Mittelpunkt«. Da spreche der Semiotiker - sprich: der Wissenschaftler, der sich mit Zeichensystemen aller Art befasst -, hier aber einen Krimi vorgelegt habe. »Und es ist natürlich nichts toller, als wenn ein Semiotiker Spuren legt«, meint die Regisseurin, die an der Tonne zuletzt »20.000 Meilen unter dem Meer« nach Jules Verne inszeniert hat. »Der Name der Rose« ist ihre 96. Inszenierung, gut ein Dutzend Stücke hat die gebürtige Heidelbergerin in Reutlingen auf die Bühne gebracht, darunter 2014 als Tonne-Sommertheater Molières Lustspiel »Der eingebildete Kranke«.
Ecos Roman von 1980, 680 Seiten stark, werde man als »pralles Theater« in einer knackigen Fassung von etwa zwei Stunden und 10 Minuten Spielzeit einschließlich Pause präsentieren, so Eppler. Neben der Krimi-Handlung - der Franziskaner William von Baskerville und sein Adlatus, der Novize Adson, machen sich im Jahr 1327 in einer Abtei der Benediktiner im Ligurischen Apennin an die Aufklärung mysteriöser Morde - werde in dem Stück auch eine ganze Reihe von Fragen aufgeworfen. Soll die Kirche arm sein oder nicht? In einem kurz angerissenen Disput zwischen den Benediktinern und den Franziskanern komme das zur Sprache. Man müsse, so Eppler, »nur einen Papst zurückdenken«, um Relevanz und Aktualität dieser Frage bis heute zu sehen. »Durch die Art, wie wir das Stück besetzt haben, fügen wir diesem ewig alten Disput ganz zart noch eine andere, neuzeitliche Fragestellung hinzu. Die nach der Teilhabe in der Kirche auf allen Positionen der Macht.«
Immer neue Fragen
So tauchen in der Inszenierung Frauen auf allen Ebenen der Hierarchie auf. »Man kann das, wenn man will, als Statement sehen.« Darüber hinaus gehe es aber auch darum, von dem zu erzählen, »was uns Umberto Eco als kostbares Geschenk mitgegeben hat - nämlich zwei große Fragen: Was ist es mit der Liebe - zwischen den Menschen und zu Gott? Und: Wie steht es um das Lachen?« Eppler gibt dabei zu bedenken: »Es wäre nicht Umberto Eco, wenn es nicht mehrere Antworten gäbe oder nicht gar auch neue Fragen aufgeworfen würden.«
Aufführungsinfo
Das Theater Die Tonne spielt »Der Name der Rose« bis zum 3. August 18 Mal unter freiem Himmel im Reutlinger Spitalhof. Premiere ist am Donnerstag, 10. Juli, um 20 Uhr. An Tagen, an denen das Wetter nicht mitspielt, dient der Saal Tonne 1 im Theaterbau in der Jahnstraße 6 als Ausweichspielstätte. Infos zum Spielort gibt es jeweils ab zwei Stunden vor Vorstellungsbeginn über den Anrufbeantworter des Theaters (07121 93770). An diesem Freitag, 4. Juli, hat der Tonne Theaterverein in Kooperation mit dem Reutlinger Programmkino Kamino einen Filmabend anberaumt. Gezeigt wird im Kamino Jean-Jacques Annauds Film »Der Name der Rose« aus dem Jahr 1986 mit Sean Connery und Christian Slater. Beginn ist um 20.15 Uhr. Vorab wird Dramaturg Michel op den Platz die Gäste auf das Theaterstück einstimmen. (GEA)
Für Constantin Gerhards, der den Novizen Adson spielt, ist es die erste Rolle an der Tonne. Er spricht von einem tiefen Vertrauen, das zwischen Adson und William bestehe. »Es ist eine tolle Herausforderung für einen jungen Spieler, herauszufinden, wo die Momente sind, in denen er sich auch mal gegen seinen Mentor behauptet.« Nicht zuletzt mache Adson eine körperliche Erfahrung mit der Liebe und habe in diesem Punkt William etwas voraus. David Liske, der William spielt, schätzt ebenfalls die Momente, »in denen der Novize den erfahrenen Mönch hinterfragt, in denen er ihn mit einer frischen Weltsicht konfrontiert«.
Zur Besetzung - unter Einbeziehung des inklusiven Ensembles und von Mitgliedern des Tonnejugendforums - gehören außerdem Andreas Laufer, Chrysi Taoussanis, Anne-Kathrin Killguss, Rupert Hausner, Magnus Pflüger, Mia Cabraja im Wechsel mit Mia Batalovic, Roswitha John, Antje Rapp, Henry Popp im Wechsel mit Samuel Roth, Santiago Österle im Wechsel mit Alfhild Karle, Bahattin Güngör und Daniel Irschik. Ausstatterin Sibylle Schulze war es wichtig, ein Bühnenbild zu schaffen, das das Labyrinthische der Klosterbibliothek aufgreift. »Man kann sich da verlaufen und aus dunklen Winkeln raus beobachten«, sagt sie. Und so wird das Tonne-Team mitten im Sommer in ein abgelegenes Kloster entführen, in dem winterliche Kälte herrscht. (GEA)