Beck kennt die Schallphänomene dieses Kirchenraums und versteht es, seine Musiker fein dosiert zur mal strahlenden, mal düster gedämpften Klanggestaltung zu motivieren. Dabei wird er der Komplexität des Rossini’schen Werkes auf hohem Niveau gerecht. Von seinen Sängern fordert er präzise abgestimmte Fugati, Transparenz in den polyfonen Geflechten, klar artikuliertes Forte und klangschöne Belcantopassagen. Auch auf die Instrumentalisten konnte er sich verlassen, die ohne Fehl und Tadel spielten und es auch an rhythmischer Akkuratesse nicht fehlen ließen.
Zu Beginn der »Geistlichen Musik im Münster« erklang die symphonische Motette »Sciant gentes« von Luigi Cherubini, ein dreisätziges Werk, das über Cherubinis Zeit hinausweist und bereits einen Ausblick auf Verdi zu geben scheint.
Verklingendes Tremolo
Becks Gestaltungsidee lebt von dieser »Verdi-Vision« des Komponisten. Er führt Solisten und Chor fließend in Korrespondenz zum Orchester, erreicht dann im zweiten Satz ein virtuoses Turbato, dominiert vom Bass-Sänger, Eric Fergusson, der alle Register der »wirbelnden Kreise« und der »Spreu vor dem Winde« zu ziehen versteht. Im dritten Satz findet das Solistenquartett ausdrucksstarke Gemeinsamkeit über den zarten Begleitfiguren des Orchesters, dessen Bratschen die Motette mit einem verklingenden Tremolo beenden.Rossini! Stephan Beck verstand es, seine Zuhörerschaft mitzureißen in das Wechselbad der Empfindungen vom zierlichen »in amando Christus Deum« bis zur Sorge um Gnade im »Gerichte«, über die Demut im Glauben zur Vision des ewigen Paradieses.
Die Sopranistin Mirella Hagen intonierte mit silbrigem Glanz den melodischen Fluss und verstand es genauso, opernartig mit ihrem »inflammatus et accensus« aufzutrumpfen. Die Mezzosopranistin Sonja Koppelhuber meisterte ihre Parts mit schneidender Dramatik und weicher raumgreifender Stimme, wunderschön zu erleben im »Duetto« mit der Sopranistin »Quis est homo qui non fleret«.
Eine tragende Rolle bei Rossini spielt der Tenor. Joaquin Astain erfüllte alle Voraussetzungen. Mit seiner hoch timbrierten, schlanken Stimmführung versteht er es, einerseits »belcanto« zu singen, andererseits höchsten Schmerz zu gestalten. Eric Fergusson, Bass, gelingt es, seine hohe Gesangskunst in den Dienst des dramatischen Ausdrucks von Belehrung, Sensibilität für geistliche Inhalte, Ironie und Zorn zu verbinden.
Ausdrucksstarker Tutti-Klang
Im Vordergrund des Interesses stand wie so oft die Gestaltung der Chöre. Rossini stellt hohe Anforderungen an seine Chorsängerinnen und -sänger. Der Philharmonische Chor Schwäbisch Gmünd wird diesem Anspruch durchaus gerecht: Voluminöser Tutti-Klang, strahlende Soprane, absolute Einheit in den Stimmgruppen, Transparenz in den polyfonen Geflechten, ausdrucksstark in Agogik und Dynamik, temperamentvoll die jeweilige Rolle ausfüllend, sind sie stets konzentriert bereit, dem Dirigat ihres Leiters Stephan Beck zu folgen.Besonders eindrucksvoll konnte man das erleben bei den Pizzicato/Staccato-Stellen des Werks. Kongenial gemeinsam und prägnant prägten sich der Zuhörerschaft die Worte »dum - pen - de - bat«, »do - nec - e - go« oder etwa am Ende »a - men« ein.
Mit frenetischem Applaus, dargebracht im Stehen, bedankten sich die Zuhörer. (elk)
