Logo
Aktuell Projekt

Mit der Kunst mitten ins Leben

REUTLINGEN. Kunst kann eine einsame Sache sein. Man werkelt allein in seinem Atelier und das Ergebnis bleibt oft genug auch allein im Atelier stehen. Doch eine Initiative Reutlinger Künstler strebt nun heraus aus der Isolation. »Kunst an jedem Ort« - unter diesem Motto wollen die bisher 35 Künstlerinnen und Künstler sich vernetzen - und wollen ihre Kunst mit der Stadt vernetzen.

Das Projektteam und weitere beteiligte Künstler beim Pressegespräch: (von links) Gabriele Seeger, Jochen Meyder, Gudrun Gantzhor
Das Projektteam und weitere beteiligte Künstler beim Pressegespräch: (von links) Gabriele Seeger, Jochen Meyder, Gudrun Gantzhorn, Christine Thomas, Beate Hanek, Paul Schlegl (KEB), Gila Menzel-Ehses sowie vorne Enami Shibata und Agatha Heim. GEA-FOTO: KNAUER
Das Projektteam und weitere beteiligte Künstler beim Pressegespräch: (von links) Gabriele Seeger, Jochen Meyder, Gudrun Gantzhorn, Christine Thomas, Beate Hanek, Paul Schlegl (KEB), Gila Menzel-Ehses sowie vorne Enami Shibata und Agatha Heim. GEA-FOTO: KNAUER
In der heißen Projektphase von Mitte September an wollen sie Reutlingen mit all seinen Schauplätzen zum Ort der Kunst machen. Sechs Monate lang sollen Geschäfte, Lokale, Kirchen, Plätze, Straßen, Hauswände zu Trägern künstlerischer Aussagen werden. Auch Büros, Gerichte, Lokale, das Krankenhaus und sogar der öffentliche Nahverkehr könnten zu Kunst-Orten werden. Gestern stellten das Projektteam um Beate Hanek und Paul Schlegl sowie weitere beteiligte Künstler das Vorhaben in der Katholischen Erwachsenen-Bildung (KEB) vor.

KEB koordiniert

Unterstützt wird die Aktion von der Stadt und der Kreissparkasse (mit jeweils 2 000 Euro) sowie der Katholischen Erwachsenenbildung (mit 3 000 Euro). Die KEB begleitet das Projekt auch koordinierend. Weitere Sponsoren sind gesucht und könnten etwa aus den Reihen der beteiligten Geschäfte kommen, wie Paul Schlegl von der KEB anregte. Gesucht sind noch weitere Künstler, denn »Ziel ist die Vernetzung«, so Schlegl. Gesucht sind schließlich auch originelle Orte, die ab September zum Kunstschauplatz werden könnten. Wer Ideen dafür hat, kann sich bei der KEB melden.

Die Idee für das Projekt selbst sei schon vor zweieinhalb Jahren entstanden, erläuterte Beate Hanek. Ausgangspunkt sei gewesen, dass Reutlingen ein reiches Potenzial an Künstlern habe; gleichzeitig biete die Stadt viel unerschlossenes Potenzial an Ausstellungsflächen. »Zwischen beidem wollten wir eine Brücke schaffen«, so Hanek.

Zum Konzept gehöre es, die Werke - Malerei, Plastik, Zeichnungen, Installationen und vieles mehr - nicht nur kurz zu zeigen; sie sollen über einen längeren Zeitraum hinweg wirken können, so Hanek. Auch erhoffe man sich durch die ungewöhnlichen Orte, Menschen anzusprechen, die sonst nicht in ein Museum gehen würden: Mitarbeiter von Firmen etwa oder Besucher von Geschäften.

Hanek selbst etwa will ihre Kunst bei einem Reifenhändler zeigen, weil in ihren Arbeiten immer wieder das Element des Rads auftaucht. Die Japanerin Enami Shibata wiederum zieht es mit ihrer Kunst in ein Lokal, weil Weinflaschen in ihren Arbeiten eine Rolle spielen. Ein anderer Künstler, der Vernetzung thematisiert, liebäugelt offenbar mit einer Schau auf dem Bahnhof. Auf Anregung Jochen Meyders könnten dabei auch jeweils zwei Künstler gemeinsam ausstellen, um so einen Dialogs zwischen den verschiedenen Positionen anzuregen.

Im Moment sei man in einer »dichten Kommunikationsphase«, so Schlegl, um Anregungen zu bündeln und weitere Partner zu finden. Bis zur heißen Phase soll eine Broschüre vorliegen, die als Leitfaden die einzelnen Ausstellungsorte erschließt. In der Ausstellungsphase sollen geführte Kunstwanderungen von Schauplatz zu Schauplatz führen und es soll Künstlergespräche vor Ort geben.

Soziale Projekte angestrebt

Auch soziale Projekte wollen die Initiatoren mit einbeziehen. In einer Art Vorprojekt haben beteiligte Künstlerinnen gemeinsam mit den dortigen Bewohnern die Wände des Reutlinger Flüchtlingsheims neu gestaltet. Durch solche Aktionen würden interkulturelle Kontakte angeregt, meinte Hanek. Auch die beteiligten Künstler verkörperten ja kulturelle Vielfalt: Sie kommen aus Deutschland, Japan, China oder auch aus Rumänien. Ein Schwerpunkt soll Projekten mit Kindern und Senioren gelten.

Auf eins legen die Künstlerinnen und Künstler dabei größten Wert: Sie wollen mit ihren Arbeiten nicht nur Dekoration für die Stadt sein. »Es ist im Sinne der Sache, wenn die Exponate polarisieren. Es kann nicht das Kriterium sein, dass sie allen gefallen - sonst wären sie ja bloß Deko«, stellte Gabriele Seeger klar.

Insgesamt erhoffen sich die Akteure eine neue Solidarität unter den Reutlinger Künstlern - und aufseiten der Reutlinger ein gesteigertes Bewusstsein für das enorme künstlerische Potenzial in ihrer Mitte. (GEA)