STUTTGART. Die vier Schwaben Smudo (56), Thomas D. (55), Michi Beck (56) und And.Ypsilon (56) sind als Die Fantastischen Vier eine Institution in der deutschen Poplandschaft. Sie zeigen auf ihrem neuen Album »Long Player« 35 Jahre nach ihrer Gründung und Hits wie »Die da?!«, »Troy«, »MfG« oder zuletzt »Zusammen«, was diese Band nach wie vor einzigartig macht. Wir unterhielten uns mit Michi Beck.
GEA: Auf »Long Player« gibt es für jedes Alter viel zu entdecken. Was hatten Sie mit der Platte im Sinn?
Michi Beck: Unser Ziel war es, einfach real zu sein, also echt und glaubwürdig. Wir wollten ein Album machen, das in erster Linie uns gefällt und in dem wir uns wiederfinden. Natürlich in der Hoffnung, damit Gleichgesinnte zu finden. Es sind Elemente aus dem zeitgenössischen Hip-Hop und der modernen Popmusik drin, trotzdem steht »Long Player« den Sounds der Neunzigerjahre näher als dem, was aktuell so im Rap passiert.
»44 Tausend« erinnert an »Insane In The Brain«, »Win Win Win« an die Beastie Boys. In »Wie weit« verarbeiten Sie einen Songschnipsel der Berliner Band MiA …
Beck: Ich würde sagen, fünfzig Prozent der neuen Musik bedient sich bei schon vorhandener Musik. Vor allem im Pop ist es doch irre, wie viel und was da alles zitiert wird. Jeder zweite Refrain, den ich beim Autofahren höre, kenne ich von früher. Das Sampeln ist ein Stilmittel, dessen wir uns im Hip-Hop immer schon bedient haben. Mittlerweile scheint dieser Ansatz auf die gesamte Popmusik übergegriffen zu haben.
Weil die Musik früher einfach geiler war?
Beck: Gegen diese oft geäußerte Meinung wehre ich mich immer. Ich glaube nur, dass sich in der Popmusik die Möglichkeiten irgendwann erschöpft haben. Alles wiederholt sich, nicht nur in der Musik, auch in der Kunst insgesamt wird sehr viel zitiert. Die letzte bahnbrechende Entwicklung war einfach Ende der 80er-, Anfang der 90er-Jahre die Popularisierung der elektronischen Musik mit deren Hauptspielarten Hip-Hop und Techno. Als wir angefangen haben, haben sich ganz neue Genres gebildet. Alles, was jetzt noch kommt, sind sozusagen Unterspielarten.
Wie schwer fällt es Ihnen denn, noch neue Facetten hinzuzufügen?
Beck: »Long Player« ist das Ergebnis einer sehr langen Schwangerschaft und einer komplizierten Geburt. Auch dieses Mal haben wir wieder mit ersten Fragmenten und Ideen angefangen. Mit der gezielten Arbeit an der Platte haben wir vor ungefähr drei Jahren losgelegt. Eines der ersten Stücke war »Wiedersehen«, das schon während der Corona-Pandemie entstand und sich mit Angstzuständen befasst. Vor einem halben Jahr haben wir die Strophen, die während der Lockdown-Zeit entstanden, überarbeitet und den Refrain über Bord geworfen, den nun unser Freund Seven aus der Schweiz singt.
In den vergangenen Jahren waren Sie ausgiebig auf Tour. Sind Sie livespielsüchtig?
Beck: Um ehrlich zu sein: Ja. Die Freude, live auf der Bühne zu stehen, ist einfach extrem greifbar und mit nichts zu vergleichen. Allerdings könnten wir uns nicht vorstellen, eine reine Tingelband zu sein, die nur noch mit den größten Hits auf Tour geht. Es treibt uns schon an, auch neue Lieder live zu spielen. Das ist das Allerschönste. Und es dient auch unserem Broterwerb. So viele Streams, um mit neuer Musik signifikant Geld zu verdienen, werden wir wohl nie erreichen.
Erreichen Sie denn auch noch neue Leute?
Beck: Bei unseren Shows im Sommer haben wir vor »Troy« immer gefragt, wer uns denn zum ersten Mal sieht. Und da waren jedes Mal rund die Hälfte der Arme oben, was uns positiv schockiert hat. Wir fragten uns: »Wie kann uns jemand nach so langer Zeit zum ersten Mal sehen?«
Und?
Beck: Ich denke, dass viele Kids durch »The Voice Of Germany« zu uns gestoßen sind, wo Smudo und ich schon ziemlich lange in der Jury sitzen. Aber es waren tatsächlich auch viele Leute jenseits der vierzig das erste Mal da. Das hat uns motiviert, unsere Geschichte in »5 Zimmer mit Bad« auf Tonträger festzuhalten. Weil wir auch wirklich stolz darauf sind, wie lange wir das schon machen.
1991 kam Ihr erstes Album raus, 1992 Ihr Superhit »Die da!?!«.
Beck: Wir waren die erste Band, die ein vollständiges deutschsprachiges Hip-Hop-Album rausgebracht hat, 1991 mit »Jetzt geht’s ab«. Gerade für alle, die neu auf uns aufmerksam geworden sind, fanden wir es wert, das mal zu erzählen. »5 Zimmer mit Bad« ist so ein bisschen das Manifest unserer Bandgeschichte.
Wie lange wollen Sie noch weitermachen?
Beck: Mit jeder Platte kommen wir der Möglichkeit näher, dass es unsere letzte ist. Man muss vorsichtig sein mit solchen Aussagen und wir sind nicht so drauf wie Howard Carpendale, der vier Abschiedstourneen nacheinander macht. Wenn wir so etwas entscheiden sollten, dann wollen wir uns hundertprozentig sicher sein. Es könnte sehr gut sein, dass »Long Player« unser letztes Album sein wird.Sicher?
Beck: Nein. Ich habe auch vor 28 Jahren gesagt, dass ich mit 30 nicht mehr auf der Bühne stehen werde. Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich behaupten will, ich werde mit über 60 nicht mehr auf der Bühne stehen. Ich werde im Dezember 57 und ich will mich nicht später Lügen strafen lassen.
Was macht diese Freundschaft zwischen Ihnen so besonders?
Beck: Es ist wirklich so, dass unsere Beziehung über so ein »Man trifft sich und freut sich zu sehen« hinausgeht. Die Familien, die wir gegründet haben, die gibt es auch schon lange, aber eben nicht so lange, wie es uns vier gibt. Wir teilen einfach wahnsinnig viel miteinander.
Sie waren schon als Jungs zusammen, heute sind Sie gestandene Männer.
Beck: Trotzdem hat sich gar nicht so viel geändert. Wir sind gemeinsam durch diese Lebensveränderung gegangen, vom Durchschnitts-Mittelschichts-Teenie zum Popstar – das hat uns zusammengeschweißt. Und dieser komische Pennälerhumor, den wir immer schon pflegen, ist auch immer noch derselbe wie früher. (GEA)
Album: »Long Player« (Rekord Musik)
Live: 22. Dezember Schleyerhalle Stuttgart