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Mörderjagd in Stuttgart: Christies »Mausefalle« am Alten Schauspielhaus

Verbeugung vor einer Altmeisterin des Krimi-Genres: Eva Hosemann inszeniert Agatha Christies Klassiker »Die Mausefalle« am Alten Schauspielhaus. Ob das Stück seit 1952 arg viel Staub angesetzt hat?

Gediegener Grusel: Das Ensemble des Alten Schauspielhauses in »Die Mausefalle«.
Gediegener Grusel: Das Ensemble des Alten Schauspielhauses in »Die Mausefalle«. Foto: MARTIN SIGMUND
Gediegener Grusel: Das Ensemble des Alten Schauspielhauses in »Die Mausefalle«.
Foto: MARTIN SIGMUND

STUTTGART. Den Auftakt der 16. Stuttgarter Kriminächte markiert nicht irgendein Stück, sondern der Krimiklassiker schlechthin: Seit 1952 wird Agatha Christies Zwei-Akter »Die Mausefalle« (mit Unterbrechung durch die Pandemie) im Londoner Westend täglich gespielt; jede Vorstellung im St. Martin’s Theatre bricht den am Vorabend aufgestellten Weltrekord. Frühestens sechs Monate nach Ablauf dieser Inszenierung darf »Die Mausefalle« am Broadway gespielt oder verfilmt werden, hat Christie verfügt. Eva Hosemanns Einrichtung für die Stuttgarter Schauspielbühnen ist eine tiefe Verbeugung vor der britischen Altmeisterin des Genres.

Die Augsburger Regisseurin, in Stuttgart von 1998 bis 2013 Intendantin des Theaters Rampe und eine der drei Geschäftsführerinnen der Kriminächte, bringt einen Abend auf die Bühne des Alten Schauspielhaus, der glauben machen könnte, so etwas wie Regietheater habe es nie gegeben. Das beginnt mit Tom Grasshofs historistischem Interieur des zentralen Salons von Monkswell Manor, in dem Mollie und Giles Ralston just an dem Abend ihre Pension eröffnen wollen, an dem ein Schneesturm die Straßen unpassierbar macht. Und es endet nicht mit den Vintage-Kostümen des Ausstatters.

Nostalgischer Touch

Auch ihrer Personenführung verleiht Hosemann einen leicht nostalgischen Touch: Hier fällt niemand aus der Rolle, die vierte Wand ist noch intakt. Kurzum: Die Staubschicht auf Christies Whodunit-Dauerbrenner wird nicht weggeblasen, sondern vielmehr mit sicherer Hand behutsam rekonstruiert und nachgestellt.

Dafür steht Hosemann ein so versiertes wie spielfreudiges Ensemble zu Gebote. Allen voran Hannah Rebekka Ehlers, die im Herbst in der schwäbisch-hochdeutschen Adaption von Sam Bobricks »Nur ein Sandwich« an den Schauspielbühnen debütierte und hier eine Mollie Ralston gibt, die ein wenig so wirkt, als hätte man sie Irm Hermann anvertraut. Ihren Gatten mimt der bereits mehrfach am Alten Schauspielhaus engagierte Sebastian Volk grundsolide als Biedermann in Pollunder und Hausmeisterkittel. Annette Mayer, die hier unter anderem schon in »Arsen und Spitzenhäubchen« und »Kabale und Liebe« reüssierte, hat sich ihre Mrs. Boyle als dauerpikierte Schreckschraube zurechtgelegt.

Ermittler wie aus dem Bilderbuch

Stimmig wirken auch der reservierte Major Metcalf von Publikumspreisträger Reinhold Weiser und die undurchsichtige Hosenanzugträgerin Miss Casewell, der Anne Leßmeister glaubwürdig Profil verleiht. Das trifft auch auf Peter Kaghanovitchs Mr. Paravicini zu. Einen Kriminalermittler wie aus dem Bilderbuch verkörpert Stefan Müller-Doriat in seinem Sergeant Trotter. Sein Schauspielbühnen-Debüt gibt Constantin Petry, der den Christopher Wren als hyperaktiven Brausekopf anlegt.

Als Mollie Ralston die erwürgte Mrs. Boyle findet, besteht kein Zweifel mehr daran, dass der zu Beginn im Radio gesuchte Mörder sich unter den auf Monkswell Manor eingeschneiten Gästen befindet. Denn in dessen Notizbuch sei die Adresse der Pension verzeichnet gewesen, nebst einem Hinweis auf das Kinderlied »Drei blinde Mäuse« (dem das ursprüngliche Hörspiel, das Queen Mary sich zum Geburtstag wünschte, seinen Originaltitel »Three Blind Mice« verdankt), informiert Sergeant Trotter die Anwesenden. Zudem zeigt er die Verbindung der Morde zu einem früheren Kriminalfall auf, in dessen Zentrum drei misshandelte Kinder standen.

Dann ist die Telefonleitung tot

Kurz darauf ist die Telefonleitung tot. Jeder habe Gelegenheit und Motiv gehabt, stellt der Sergeant fest: »Sie sind alle verdächtig.« Ob auch die dritte Maus dran glauben muss? Und wer das ist? Und wer Täter oder Täterin? Das darf in guter alter »Mausfalle«-Tradition an dieser Stelle selbstredend nicht preisgegeben werden. Ob »Die Mausefalle« auch in Stuttgart ein Publikumserfolg wird, bleibt abzuwarten – die hinreichend umjubelte Premiere spricht nicht dagegen. (GEA)