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Aktuell Mundartwochen

Mäuse im Dom und Sterne an der Scheuer

Patrick Donmoyer und Bruno Hain mit Pfälzischem aus der Pfalz und den USA in der Stadtbibliothek

Ein amerikanischer und ein südwestdeutscher Pfälzer:  Patrick Donmoyer aus Kutztown (links)und Lyriker Bruno Hain in der Stadtb
Ein amerikanischer und ein südwestdeutscher Pfälzer: Patrick Donmoyer aus Kutztown (links)und Lyriker Bruno Hain in der Stadtbibliothek. Hinten Fotos der »Scheuer-Sterne« in Pennsylvania. FOTO: KNAUER
Ein amerikanischer und ein südwestdeutscher Pfälzer: Patrick Donmoyer aus Kutztown (links)und Lyriker Bruno Hain in der Stadtbibliothek. Hinten Fotos der »Scheuer-Sterne« in Pennsylvania. FOTO: KNAUER

REUTLINGEN. Es sind die besonderen Momente der Mundartwochen, wenn ganz verschiedene Sprachen und Kulturen zusammenprallen. Und dabei klar wird, dass scheinbar weit Getrenntes im Inneren tief zusammenhängt.

So war das am Freitagabend beim Auftritt von Patrick Donmoyer und Bruno Hain in der Stadtbibliothek. Der eine ein Urpfälzer, bei dem schon der treuherzige Blick das menschenzugewandte Gemüt verrät. Der andere, adrett, aufgeräumt, ein Amerikaner aus Kutztown in Pennsylvania an der Ostküste, nicht weit von der Reutlinger Partnerstadt Reading entfernt, in der einst im Exil Friedrich List wirkte.

Zwei Männer, zwei Welten. Da sitzen sie nebeneinander im Großen Studio der Bibliothek wie in einer Schulbank – und es verbindet sie mehr, als man denkt. Pfälzisch nämlich ist für beide der entscheidende Identitätsquell. Für Hain jenes Pfälzisch, wie man es heute zwischen Speyer und Mainz spricht. Für Donmoyer jenes Pfälzisch, das sich als Umgangssprache von etwa 400 000 Amerikanern in Pennsylvania erhalten hat, deren Vorfahren in die USA eingewandert sind.

Donmoyers Vorfahr hieß Hans Peter Heilmann und ist um 1730 herum aus der Gegend von Heilbronn über den Atlantik geschippert. Donmoyer ist heute Leiter des »Pennsylvania German Cultural Heritage Center« in Kutztown – einer Einrichtung, die das deutsche Erbe der Einwanderer bewahren möchte. So auch den deutschen Dialekt, der dort »Pennsylvania Dutch« genannt wird.

Hain demonstriert mit seinen eigenen Gedichten, wie Pfälzisch heute in der Pfalz klingt: heimelig, anschmiegsam, mit weich verschmierten Vokalen und knautschigen Konsonanten. Seine Ballade von der armen Kirchenmaus, die im riesigen Dom zu Speyer nur abgenagte Knochen findet, bekommt durch diese fluffig-weiche Sprachkonsistenz etwas Beseeltes.

Das in Pennsylvania gesprochene Pfälzisch hat hingegen, um in der Fremde zu überdauern, eine härter konturierte Ausprägung entwickelt. Trotzdem entfaltet auch diese Mundart einen ganz eigenen Charme, wenn Donmoyer darin über eine kulturelle Besonderheit der deutschstämmigen Landwirte in Pennsylvania berichtet: Sie verzieren ihre riesigen Holzscheuern gern mit großen, runden, sternartigen Emblemen – den »Scheire Schtanne«, den »Scheuer-Sternen« also.

Donmoyer erzählt in einem bezaubernden Singsang über diese Sterne, in einem fast schwebenden und wunderbar anregenden Sprachfluss: Wie dieser Brauch nach 1900 aufkam; wie er sich verbreitet hat; wie der findige Wirt und »Schtanne Moller« (Sternmaler) Johnny Ott daraus ein florierendes Geschäft machte, indem er sie auf runden Holzscheiben verkaufte; und wie die nichtdeutschstämmigen Amerikaner hinter den Sternsymbolen Hexenzeichen zur Dämonenabwehr argwöhnten. Woraufhin Johnny Ott seine Sternscheiben auch genau so – als »Hex Signs« – vermarktete.

Was natürlich Unsinn sei. Die Sterne seien lediglich schön und Symbol der Verbundenheit mit den deutschen Wurzeln, betont Donmoyer. Natürlich hat sein »Pennsylvania Dutch« einen guten Schlag englische Betonung aufgesogen. Und doch schimmert immer noch das gemütlich-humorvolle des ländlich-deutschen Dialekts durch. An manchen Stellen übersetzt Mundartwochen-Leiter Wilhelm König als Hilfestellung – und stellt dabei das kernig-nasale Schwäbisch als dritten Part dagegen. Man versteht Donmoyer aber meist auch so erstaunlich gut.

Der Brauch der »Scheire Schtanne« im Übrigen lebt bis heute weiter. Nun sogar in Reutlingen: Unter der Leitung der Künstlerin Susanne Immer hat eine neunte Klasse des Kepler-Gymnasiums »Scheire Schtanne« gemalt – in Miniaturform auf kleine Holzscheiben. Zur Freude Donmoyers und des Publikums waren sie vor dem Studio ausgestellt.

Der junge Pianist Sascha Kommer schlug nochmal eine ganz andere Brücke zwischen der Region und den USA: Aus Pliezhausen stammend ließ er uramerikanische Jazzanleihen von Gershwin bis Boogie mit atemberaubender Energie auf den Tasten tanzen. Klasse! (GEA)