Was sich unter der Regie von Andrea Moses daraus entwickelt, ist fraglos das Witzigste, was Stuttgart derzeit im Repertoire hat. Wie sie das vom Librettisten Jacopo Ferretti satirisch modifizierte Märchen mit entlarvendem Leben füllt, hinter dem nur ökonomische Interessen stehen, deckt sich mit dem Witz, der auch in der Musik steckt, und kann außerdem von stimmartistischen Glanzleistungen profitieren, die von Anfang an Szenenapplaus erhalten. Das war so richtig nach dem Geschmack des Publikums, das die Premiere am Sonntagabend mit Bravochören feierte.
Rasantes Parlando
Bühnenbildnerin Susanne Gschwender lässt über den Konferenztisch eine Guckkastenbühne fahren, in der Don Magnificos marodes Palais als Sperrmüllansammlung erscheint. Seine beiden Töchter Tisbe (Maria Theresia Ullrich) und Clorinda (Catriona Smith) outen sich gleich als doofe Schnepfen und drangsalieren ihre als Aschenputtel verhöhnte Stiefschwester Angelina (Diana Haller), mit der zusammen sie allerdings bewundernswert singen, als wären 32tel ihr gewohntes Kommunikationstempo.Ihr Papa (Enzo Capuano) wittert sofort das große Geld, als bekannt wird, dass seine Töchter in die engere Wahl als Prinzen-Gattin gelangt sind. Sein Parlando ist jedoch nicht so perfekt wie das seiner Töchter; wenn es rasant wird, verliert seine sonst große Stimme an Klang. Aber als eitler, habgieriger Heuchler ist er ein Knüller.
Mit drei exzellenten jungen Sängern, für die auch heikle Koloraturen keine Hürden darstellen, sind die Partien der Prinzen-Delegation besetzt: Der bulgarische Tenor Bogdan Mihai singt den Prinzen, der als Diener das Herz von Angelina erobert, der Bariton André Mosch die große Partie des Dieners Dandini, und der polnische Bass Adam Palka gibt als zaubermächtiger Philosoph Alidoro sein Stuttgart-Debüt und erweist sich als umwerfend komisches Talent.
Mit der 25-jährigen Kroatin Diana Haller, die erstmals die Cenerentola singt, hat die Staatsoper einen Glücksgriff getan. Schauspielerisch hat sie eine enorme Ausstrahlung und stimmlich bezaubert sie mit einem warmen Mezzosopran. Sie darf auch romantischen Schmelz zeigen, wenn Rossini ihre Herzensgüte illustriert.
Die großen musikalischen Momente ergeben sich meist aus den Ensembles. In ihnen perlt und prickelt es, wenn so perfekt wie hier der ausgelassene Rhythmus zu reiner Spielfreude wird. Einzigartig in seinem Humor ist das Sextett vom verwickelten Knoten im zweiten Akt, als die Täuschung durch Prinz und Diener enthüllt wird und sich die Verblüffung in mechanischem Stakkato mit vielen rollenden Rs und Upps offenbart.
Die eingangs um den großen runden Tisch – der übrigens auch für Tabledance, als Ballsaal und Roulettekessel genutzt wird – versammelten Konferenzteilnehmer setzen sich aus den Herren des Staatsopernchores zusammen. Zwei von ihnen stöckeln als Damen durch die Aufführung. Immer wieder quillt der Chor in die Szene, versumpft im Weinkeller oder verlustiert sich in einer Orgie – lächerlich stets in seinem gravitätischen Auftreten, fabelhaft aber in seinem Gesang. (GEA)