REUTLINGEN. Insgeheim wird er als Anwärter für den Landesjazzpreis gehandelt, am Mittwochabend jedoch spielt er noch ganz umsonst im Reutlinger Echaz-Hafen bei Sonnenschein vor einem großen Publikum, geladen vom Jazzclub Mitte. Lukas Wögler, Anfang 20, hat in Stuttgart studiert bei Sandi Kuhn, war musikalisch vielseitig aktiv, stand mit mehreren Bands und Projekten auf der Bühne, wurde jüngst aufgenommen ins Bundesjugendjazzorchester. Mit seinem eigenen Quartett überzeugt er ganz und gar, präsentiert eine Musik, die mit gelassenem Feingefühl viele Nuancen auslotet. Als Instrumentalist nimmt er sich dabei oft sehr zurück, gibt seinen Musikern viel Raum für eigene Erkundungen – der Auftritt des Quartetts wird so zu einem langen Gespräch, bei dem Motive, Klangfarben, Emotionen konzentriert hervortreten.
Neu besetztes Quartett
Mit Maxim Burtsev aus München am Fender Rhodes Piano, Tabea Kind aus Karlsruhe am Kontrabass und Malte Wiest aus Oberhöfen bei Biberach hat Lukas Wögler sein Quartett neu aufgestellt. Im Programm finden sich, neben Standards wie »Hindsight«, »East Of The Sun« und Herbie Hanckocks »Dolphin Dance«, auch Eigenkompositionen von Wögler, Wiest und Kind.
Lukas Wögler und seine Begleiter spielen eine Musik, die im Swing verwurzelt ist, rhythmisch pulsiert, sich dabei aber viele Freiheiten nimmt, Melodien vorsichtig ausbreitet, dann auflöst – Malte Wiests Schlagzeugspiel dominiert oft, breitet einen Grund für die perlenden, melodiösen Soli von Piano und Bass. Bandleader Lukas Wögler lauscht diesen Ausflügen versonnen, um dann selbst vorsichtig wieder einzusteigen ins Spiel, mit Tenor- oder Sopransaxofon. Oft trägt er kantige Momente in die Musik hinein, findet dann wieder zu erstaunlich schönen, lyrisch ausgestalteten Momenten; all das kann mitunter an Ornette Coleman erinnern.
Skurrile Songtitel
»Zwischenmiete« heißt ein Stück, das Malte Wiest für das Quartett geschrieben hat – und bald übernimmt der Schlagzeuger auch die Führung in ein komplexes Terrain, das unversehens zum Spielfeld wird für seine Gestaltung des Tempos, seine immer wieder überraschenden Winkelzüge. Lukas Wögler steigt wieder ein, das Quartett auf zu einem flirrenden Tanz, zu immer schnelleren Figuren von Saxofon und Piano, harschen, anfeuernden Ausfällen des Schlagzeugs. Bei seinen Balladen zeigt das Quartett dann, wie sehr sich diese Spielweise noch intensivieren lässt – die Musik, die Lukas Wögler, Tabea Kind, Martin Burtsev und Malte Wiest im Echaz-Hafen spielen, tritt mit diskreter Komplexität auf, fordert die Aufmerksamkeit der Zuhörer, lenkt sie auf ungewohnte Bahnen, lohnt dies mit einem vielseitigen und intensiven Hörerlebnis.
Mit »Sofa Tofu« ist in der zweiten Hälfte des Konzerts ein skurril betiteltes Stück aus Lukas Wöglers eigener Feder zu hören; den Abschluss des Konzerts schließlich bildet »My Ideal«, ein Standard von Richard Whiting, Leo Robin und Newell Chase aus dem Jahr 1930 - und noch einmal hört man aufs Schönste, welch lebhaft vibrierenden Klangbilder dieses Quartett zu weben vermag, wie außergewöhnlich sein Leiter die Melodie zu phrasieren versteht. (GEA)