REUTLINGEN. »For you, I’ll be a Ghetto Jew. For you, I’ll be a Doctor Jew« – das sang er, schrieb er. Leonard Cohen verbrachte Jahre in einem buddhistischen Kloster, bekannte sich zum Buddhismus – sein Grab aber befindet sich auf dem jüdischen Friedhof in Montreal. Geboren wurde er in Westmount, einem Vorort Montreals, als Sohn einer wohlhabenden jüdischen Familie, am 21. September von 91 Jahren. Cohens jüdisches Erbe spielte in seiner Musik, in seinen Texten immer wieder eine Rolle. Sehr häufig verwendete er Zitate aus dem Alten Testament – auch bei seinem berühmtesten Lied, »Hallelujah«.
Louisa Lyne & di Yiddishe Kapelye spielen es nicht, am Samstagabend im Reutlinger franz.K. Die schwedische Sängerin und ihre Band nähern sich Leonard Cohen von einer anderen Seite. Sie haben einige der Lieder Cohens ins Jiddische übertragen, spielen eine Auswahl an Coverversionen, vor allem aber haben sie Texte, Gedichte Cohens übersetzt und zu eigener Musik gesetzt. So entstanden ist eine Hommage an den fast schon mythischen Songwriter, dessen Todestag sich am kommenden Freitag zum neunten Mal jährt.
Schwermütig und morbide
Der Abend beginnt mit perlenden Klavierakkorden und einem jener Lieder, die Leonard Cohen berühmt machten: »Suzanne« von 1969. Vier weitere Cohen-Stücke werden folgen: »Who By Fire«, viel später dann Cohens vielleicht schönstes Lied »Famous Blue Raincoat«, erschienen 1971, »Dance Me To The End Of Love« von 1984, schließlich »Take This Waltz« von 1988, Cohens Adaption des Gedichts »Pequeño vals Vienés« von Federico Garcia Lorca, wunderschön, schwermütig, morbide.
Louisa Lyne singt mit heller Stimme, viel Gefühl. Sie wird begleitet von Edin Bahtijaragic am Akkordeon, Mikael Gökinan an der Gitarre, Johnny Åman am Kontrabass, Anna Thorstensson am Cello, Anders Thorén, an Keyboard, Piano, einmal auch als Sänger, Samuel Lundström auf der Violine. Die Gruppe fand zusammen im multikulturellen Malmö. Ihr Leonard-Cohen-Programm spielt sie nur viermal in Deutschland. Bald, sagt Louisa Lyne, würden die Musiker nach Kanada reisen, um dort auch in einer Synagoge in Montreal aufzutreten, der Cohen sich verbunden fühlte.
Schwärmerisches Gemüt
Die Texte Cohens, die Louisa Lyne & di Yiddishe Kapelye ins Jiddische übertrugen, tragen sie in dieser Sprache vor. Gedichte aus Cohens Band »The Flame« liest die Sängerin in englischer Sprache. Die Intensitäten, der leise, oft dunkle Humor, die große Leidenschaft, das schwärmerische Gemüt – sie teilen sich mit. Oft aber schweigt die Stimme auch, weben die Musiker ihre Klänge, irgendwo zwischen Jazz und Folklore, ganz unaufdringlich, schwebend. Rund 80 Minuten dauert das Konzert – viel mehr hätten sich zahlreiche Zuschauer gewünscht. (GEA)

