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Leipziger Buchmesse: Besucherrekord und Phantastik-Preise

Auf der Leipziger Buchmesse wurden die »Seraph«-Preise für deutschsprachige Phantastik vergeben. Die Messe selbst steuerte auf einen Besucherrekord zu. Die Massen überforderten Nahverkehr und Einlass.

Die Seraph-Gewinner 2025: (von links) Freya Petersen (bestes Debüt), Theresa Hannig (bestes Buch), Kai-Holger Brassels (bestes I
Die Seraph-Gewinner 2025: (von links) Freya Petersen (bestes Debüt), Theresa Hannig (bestes Buch), Kai-Holger Brassels (bestes Indie-Buch). Foto: Armin Knauer
Die Seraph-Gewinner 2025: (von links) Freya Petersen (bestes Debüt), Theresa Hannig (bestes Buch), Kai-Holger Brassels (bestes Indie-Buch).
Foto: Armin Knauer

LEIPZIG. Kaum vorstellbar, dass noch vor zwei Jahren diskutiert wurde, ob sich die Leipziger Buchmesse jemals vom Corona-Schock erholen würde. Schon am Freitag war klar, dass die Messe dieses Jahr auf einen Besucherrekord zusteuert. Für Samstag wurde der Kartenverkauf wegen Überfüllung gestoppt. Bis zum finalen Sonntag steuerte die Messe auf 300.000 Besuchern oder mehr zu; 2025 waren es rund 280.000 gewesen. Überfüllte S-Bahnen, endlose Schlangen am Einlass - Buchmesse wie Transport-Infrastruktur gerieten bei dem Ansturm an Grenzen.

Das Fantastische ist überall: Cosplayer bei der Manga-Comic-Con auf der Buchmesse Leipzig.
Das Fantastische ist überall: Cosplayer bei der Manga-Comic-Con auf der Buchmesse Leipzig. Foto: Armin Knauer
Das Fantastische ist überall: Cosplayer bei der Manga-Comic-Con auf der Buchmesse Leipzig.
Foto: Armin Knauer

Der Begeisterung der Besucher tat das keinen Abbruch. Innen verteilten sich die Massen auf die fünf Hallen und den gläsernen Zentralbau, der wirkt wie eine Raumstation. Was passt, denn das Fantastische ist hier überall präsent. In Form zahlloser Kostümgänger von Waldelbe bis Sternenkrieger. In Form von Ständen der Fantasy-Verlage, die Welten von Drachenreitern und Zauberern meist serienweise in dicken Bänden anbieten.

Preise für Phantastik

In diesen Rahmen fügt sich, dass auf der Messe am Freitagnachmittag die Preise für deutschsprachige Phantastik verliehen wurden, die »Seraphe«. Ausgelobt werden sie von der Phantastischen Akademie mit Sitz in Mannheim. Die weit weniger staatstragende Institution ist, als der Name vermuten lässt. Viel eher verschworener Haufen von Fans, Autoren, Förderern Phantastischer Literatur - die Gründungsurkunde soll auf einer Grillparty unterzeichnet worden sein, wie Moderatorin Natalja Schmidt bei der Seraph-Verleihung mit einem Schmunzeln erzählte.

Dieses Gefühl eines Häufleins Gleichgesinnter macht den Charme aus. Wozu gehört, dass der größere Teil des Preisgelds in einer Crowdfunding-Aktion unter der Regie von Autorin Liza Grimm zusammenkam. Der Andrang bei der Preisverleihung - der vierzehnten seit 2012 - war beträchtlich, ganz klein ist das Häuflein der Phantastik-Fans nicht.

Ehren-Seraph für Graute

Gründer und langjährige Zentralgestalt der Phantastischen Akademie ist Oliver Graute. Der zog sich zuletzt vom Vorsitz zurück und bekam nun einen Ehren-Seraph überreicht. Seine Nachfolgerin Hanka Leo stellte fest, dass sich unter den 24 nominierten Büchern für die drei Preise die düsteren Visionen häufen. Kriege, Klima, Spaltung der Gesellschaft - all das verlängern die Autoren in ihren Werken in die Zukunft und kommen dabei selten zu rosigen Aussichten.

Oliver Graute, Gründer der Phantastischen Akademie, nahm auf der Buchmesse einen Ehren-Seraph entgegen.
Oliver Graute, Gründer der Phantastischen Akademie, nahm auf der Buchmesse einen Ehren-Seraph entgegen. Foto: Armin Knauer
Oliver Graute, Gründer der Phantastischen Akademie, nahm auf der Buchmesse einen Ehren-Seraph entgegen.
Foto: Armin Knauer

So auch Theresa Hannig, die mit ihrem Roman »Parts Per Million« den Seraph für das beste Buch abräumte. Es geht um eine »beängstigend nahe Zukunft«, wie Laudatorin Carina Schnell resümierte, um einen »aussichtslos scheinenden Kampf gegen politische Funktionäre, Lobbyisten und Klimaleugner«, um »female Rage« und weibliches Heldentum. »Ein notwendiges Buch, danke fürs Wachrütteln!«, befand Schnell. Während die Autorin berichtete, das Schreiben habe ihr viel abverlangt. Ihr Appell: »Leute, kommt hoch, tut was für die Demokratie!«

Düstere Zukunftsvisionen

Die »female Rage«, der »weibliche Zorn«, steht auch im Zentrum des Bands, der mit dem Seraph für das »beste Debüt« ausgezeichnet wurde. Freya Petersens »Die Mutter der Masken - Säure« erzählt von einer»sehr wütenden Heilerin, die aus Versehen den nächsten Bürgerkrieg auslöst«, wie die Vorjahressieger Florian Schäfer und Elif Siebenpfeiffer als Laudatoren erläuterten. Es geht auch um Traumata, Queerness und Neurodivergenz, »in einer lockeren, sehr unterhaltsamen Sprache«.

Auch Autorin Petersen bezog ihr Buch auf die Probleme der Gegenwart: »Meine Lehre aus den Erfahrungen meiner Protagonisten ist: Wer durch die Lücken einer gespaltenen Gesellschaft fällt, muss sich verbünden.« Oft finde man dabei mehr Gleichgesinnte als gedacht.

Ungewöhnlicher Ansatz

Einen ungewöhnlichen Ansatz findet Kai-Holger Brassel, der den Seraph für das beste Indipendent-Buch gewann. Sein Roman »All An!« schildert die Folgen menschlichen Handelns in der Zukunft anhand vieler Einzelgeschichten rund um den Erdball, wie Vorjahressiegerin Mary Thornhouse als Laudatorin erklärte. Brassel brachte das Buch als Selfpublisher heraus; er habe mit großen Selbstzweifeln zu kämpfen gehabt, räumte er ein. Dass er nun die Preisstatue in die Hand gedrückt bekam, konnte er kaum fassen - und rang bewegt nach Worten. Dotiert sind die Preise mit 7.000 Euro für das beste Debüt sowie je 6.000 Euro für das beste Buch und den besten Indie-Roman. (GEA)