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Aktuell INTERVIEW

Larkin Poe: »Wir leben in seltsamen Zeiten«

Das bluesrockende Schwesternpaar Larkin Poe meldet sich mit dem Album »Bloom« zurück.

Das Album »Bloom« ist am 24. Januar erschienen. Foto: Robby Klein/Tricki Woo Records/dpa
Das Album »Bloom« ist am 24. Januar erschienen.
Foto: Robby Klein/Tricki Woo Records/dpa

ATLANTA. Rebecca und Megan Lovell sind Larkin Poe. Die Schwestern spielen vortrefflich E- und Steel-Gitarre und schreiben fesselnde Songs. Mit den coolen Bluesrockerinnen aus den US-Südstaaten sprach Olaf Neumann über ihren Vorfahr Edgar Allen Poe, Wahlverliererin Kamala Harris und das neue Album »Bloom«. Darin singen sie über Gott als Frau.GEA: »Bloom« ist Ihr siebtes Studioalbum. Hatten Sie eine klare Vorstellung, wie es klingen sollte?

Megan Lovell: Wir bekommen viel Inspiration beim Unterwegssein. Wir nehmen all die Tour-Erfahrungen mit in unsere Songs. Bei »Bloom« geht es darum, den Weg fortzusetzen, den wir bereits für uns festgelegt hatten mit Alben wie »Blood Harmony«. Es wurde mit einem Grammy ausgezeichnet.

Was war Ihnen bei der Produktion von »Bloom« besonders wichtig?

Rebecca Lovell: Wir haben 2017 unser eigenes Label gegründet. Die lange kreative Zusammenarbeit zwischen mir und meiner Schwester ermöglicht es uns, sehr intime Momente zu schaffen. Wir wollten das, was uns als Band auf der Bühne ausmacht, im Studio reproduzieren und dieser Live-Energie ganz nah kommen.

Megan: Wir schöpfen aus der Tradition von Southern Rock, Blues, Americana und Country. Das ist zeitlose Musik. Bei uns gibt es keine dreifach gespielten Gitarren oder überlagerte Hintergrundgesänge. Was du auf der Bühne siehst, ist das, was du auf unseren Platten hörst. Mit »Bloom« sind wir dem, was wir unter einer perfekten Produktion verstehen, ein wenig näher gekommen. Es ist eine analoge Scheibe. Alle Sounds sind sehr klassisch, wir haben die Songs wirklich ganz für sich allein stehen lassen.

Was sagt uns die Platte, wer Sie sind und was Sie wollen?

Megan: Wer sich die Text einmal genauer anhört, wird viel darüber erfahren, worüber meine Schwester und ich uns so unterhalten. Wir sind jetzt in unseren 30ern und wissen, wer wir sind und was wir vom Leben wollen. Deshalb heißt diese Platte »Bloom« (Blüte). Wir kümmern uns nicht so sehr darum, was andere von uns denken, versuchen lieber, uns selbst treu zu bleiben. Das Album dreht sich um Selbstakzeptanz und das Finden des Glücks. Um die Wahrheit und das Authentischsein.

Die Texte stehen immer an erster Stelle?

Rebecca: In der Vergangenheit haben wir immer vom Gitarrenriff aus geschrieben. Aber diese Songs sind wirklich aus Gesprächen heraus entstanden. Es ist eine sehr ehrliche Platte.

Rebecca, wie haben Sie sich als Sängerin vom letzten zu diesem Album entwickelt?

Rebecca: Wir leben in einer Kultur der viralen Inhalte. Die Leute wollen in den Sozialen Medien sehen, dass Kinder in etwas hervorragend sind. Die Größten der Großen. Wir sind von Spitzenleistungen beeindruckt. Aber wenn ich mir die Platten anhöre, die mich wirklich begeistern, dann geht es darin nicht um Spitzenleistungen. Auf diesen Platten kann man eher den Atem von jemandem hören. Meine Lieblingssänger:innen sind jene, die wie sie selbst klingen. Bei dieser Platte habe ich nicht meine stimmliche Bandbreite zur Schau gestellt, sondern mich darauf konzentriert, welche Melodie für mich gut klingt.

Sie kommen beide von der klassischen Musik her. Wie kamen Sie zum Blues und Rock?

Megan: Obwohl wir klassisch ausgebildet wurden, verliebten wir uns beide in die Bluegrass-Musik und später auch in den Blues, was so ziemlich das Gegenteil von Klassik ist. Hier geht es um die Emotionen, die man in jede Note legt, und weniger um das Können am Instrument. Wir haben all das entschlackt. Wir wollten herausfinden, wie man etwas so spielen kann, dass es starke Emotionen hervorruft. Ich bin sehr dankbar für die Arbeitsmoral, die wir von der klassischen Musik übernommen haben, aber manchmal muss Musik einfach ein wenig roh und falsch klingen.

Zu dem Song »Bluephoria« ließen Sie sich von der 1893 geborenen Blues-Legende Furry Lewis inspirieren. Was ist der Blues für Sie als Spätgeborene?

Rebecca: Die Epoche des Blues, die uns wirklich anspricht, ist die Zeit der Jahrhundertwende, der frühe primitive Blues. Die Musik von Furry Lewis, Son House oder Muddy Waters ist geprägt von sechs Saiten, einer Mundharmonika und einer Stimme. Und einer rohen Emotion. Das war ein Punkt der Inspiration für uns. Für uns ist der Blues eine Art der emotionalen Verarbeitung der Welt.

Manche sagen, der Blues sei vom Aussterben bedroht.

Megan: Ich denke, er entwickelt sich eher weiter! Genres müssen sich verändern und wachsen. Wir leben in einer Zeit, in der sich die Genres stark vermischen. Popstar Beyoncé zum Beispiel war für einen Country-Grammy nominiert. Jede Musik, die aus Amerika kommt, stammt in gewisser Weise vom Blues ab. Unsere Aufgabe ist es, an die Künstler zu erinnern, die vor uns kamen. Wir werden oft mit den Allman Brothers verglichen, und die wiederum wurden von Leuten wie Skip James beeinflusst.

Sie sind Nachfahrinnen des berühmten amerikanischen Schriftstellers Edgar Allen Poe. Sind Sie mit seinen Gruselgeschichten aufgewachsen?

Megan: In unserem Elternhaus gab es eine riesige Bibliothek mit Büchern, die wir als Kinder unbegrenzt benutzen durften. Natürlich haben wir Edgar Allen Poe gelesen und waren begeistert von seinen Gothic-Geschichten. Wir sind im US-amerikanischen Süden aufgewachsen. Wir haben viele Gothic-Elemente in unserer Family.

Was wäre denn anders, wenn Gott eine Frau wäre? Gäbe es in der Welt dann keine Kriege und keinen Hunger?

Rebecca: Vielleicht müsste die Frage eher lauten: Wie sähe die Welt aus, wenn der Teufel eine Frau wäre? Wir machen uns gerne über sehr ernste Themen lustig. Der Gedanke hinter diesem Song ist, dass Frauen oft in der Rolle von Erlösern dargestellt werden. Frauen sind engelsgleich. Engel haben eine weibliche Energie als Heiler und Versorger. Sie werden deine Probleme auf magische Weise verschwinden lassen. Ich finde, das ist eine sehr enge Sichtweise auf die Frau. Es gibt ja eine Kehrseite. Frauen sind auch in der Lage, Dunkelheit, Traurigkeit und das Böse in sich zu haben.

Waren Sie eigentlich sehr enttäuscht, dass Kamala Harris nicht US-Präsidentin geworden ist?

Megan: Als Frau auf jeden Fall. Aber ich glaube an die Sache mit der Gruppe. An einem bestimmten Punkt müssen wir als Amerikaner in der Lage sein, die Entscheidung zu respektieren, die unser Land getroffen hat. Ich glaube aber, dass wir weiterhin in dieser Welt existieren und die Dinge bewirken können, die wir bewirken wollen. (GEA)

Larkin Poe: »Bloom« (CD/LP/digital, Tricki Woo Records/Indigo)