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Landesregierung stellt Dialektstrategie vor, will Mundarten bewahren und stärken

Die neue Marke »DialektLÄND« soll den Mundarten in Baden-Württemberg Sichtbarkeit verschaffen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann erklärt, warum ihm das wichtig ist.

Eine Karte zeigt die Mundartwörter für Weihnachtsgebäck an.
Eine Karte zeigt die Mundartwörter für Weihnachtsgebäck an. Foto: Uwe Anspach/dpa/dpa
Eine Karte zeigt die Mundartwörter für Weihnachtsgebäck an.
Foto: Uwe Anspach/dpa/dpa

STUTTGART. »Wir können alles. Außer Hochdeutsch« sei vielleicht die erfolgreichste Marketingkampagne gewesen, die es aus den Bundesländern gegeben habe, sagt Arne Braun, Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, der am Dienstag in Stuttgart zusammen mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann die neue Dialektstrategie für Baden-Württemberg vorstellte. Spielte der Slogan - von 1999 bis 2021 - auf die Mundarten an, geht es der Landesregierung heute darum, diese zu bewahren und zu stärken. Und dies vor dem Hintergrund, dass laut einer Studie des Ludwig-Uhland-Instituts für Empirische Kulturwissenschaft der Universität Tübingen nur noch 11 bis 15 Prozent der Grundschüler Dialekt sprechen, wie der Dialektforscher Professor Dr. Hubert Klausmann von der Arbeitsstelle »Sprache in Südwestdeutschland« erklärte.

Demnach berichteten viele Dialektsprecherinnen und -sprecher von der Erfahrung, dass ihnen der Dialekt früher ausgetrieben werden sollte (»sag's noch mal schöner«) – im Widerspruch zu den heutigen Erkenntnissen. »Das hängt mit den 60er-, 70er-Jahren zusammen, als man aus den USA die soziolinguistische Idee übernahm, dass es zwei Systeme gibt, das bessere und das schlechtere, das elaborierte und das restringierte. Man hat wohl gedacht, wenn man den Kindern in der Schule den Dialekt austreibt, dann werden sie sozial erfolgreich, dann steigen sie auf«, so Klausmann. Der Dialekt aber sei in Süddeutschland gar nicht sozial markiert gewesen. »Das war nicht so und ist auch heute nicht so.«

Kostbare Ressource

Wo Mundarten früher oft als »Sprachbarrieren« gegolten hätten, würden sie heute »als Formen der inneren Mehrsprachigkeit geschätzt, weil sie sogar den Fremdsprachenerwerb erleichtern können«, betonte der Ministerpräsident. Sie seien als »differenzierte Sprachsysteme, kulturelle Schätze und eine kostbare Ressource« zu betrachten. Ganz persönlich bedeute der Dialekt für ihn Heimat, so der in Spaichingen geborene Kretschmann, der von seiner Mutter auch noch die ostpreußische Mundart kennt.

Die Dialektstrategie ruht den Angaben zufolge auf vier Säulen: 1. Wissen erhalten und stärken - das bedeutet: Forschung und Dokumentation innerhalb und außerhalb der Universitäten; 2. Sichtbarkeit verschaffen - unter anderem durch die neue Marke »DialektLÄND« unter der Dachmarke »THE LÄND«; 3. Bildung vermitteln - sprich: Kenntnis und Nutzung des Dialekts als sprachliche Ressource in Kindertagesstätten und Schulen; 4. Zivilgesellschaft stärken - durch Förderung beispielsweise des Dachverbands der Dialekte Baden-Württemberg und des 2024 erstmals vergebenen Landespreises für Dialekt.

Dialektbotschafter werden ausgezeichnet

Arne Braun sind die Kategorien »Junge Generation« und »Neue Medien« beim Landespreis für Dialekt, bei dem »Dialektbotschafter« ausgezeichnet werden, besonders wichtig. Ein gut gemachter TikTok-Kanal könne Dialekte ebenso lebendig werden lassen wie das klassische Bühnenkabarett, sagte er. Auch bei der Förderung von Literatur, Film und Theater seien Dialekte ein Thema.

Das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) werde in Zusammenarbeit mit dem Ludwig-Uhland-Institut Dialekt-Angebote für Lehrkräfte schaffen, hieß es. Dialektforschung findet unter anderem an den Universitäten Freiburg und Tübingen statt.

Gegenbegriff zum Schwäbischen

Die Dialekte in Baden-Württemberg, deren Verbreitungsgebiete teils über die Landesgrenzen hinausreichen, werden dem Fränkischen und dem Schwäbisch-Alemannischen mit den folgenden großen Dialektfamilien zugeordnet: Rheinfränkisch (in Baden-Württemberg nur im Raum Mannheim vertreten), Süd- und Ostfränkisch (Nordwesten und Nordosten), Alemannisch (Südwesten) und Schwäbisch (Mitte, Osten und Südosten; in der Forschung auch den alemannischen Dialekten zugerechnet). Wenn man umgangssprachlich von »Badisch« spreche, suche man, so Klausmann, vor allem einen Gegenbegriff zum Schwäbischen und meine damit so unterschiedliche Mundarten wie das Fränkische im Norden oder das Oberrhein-, Hoch- oder Bodensee-Alemannische im Südwesten. (GEA)