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Kunst in der Schwebe

Grieshaber-Stipendiatin Constanze Vogt zeigt Objekte in der Kunstmuseums-Galerie in den Wandel-Hallen

Grieshaber-Stipendiatin Constanze Vogt bei ihren hängenden und liegenden Objekten in der Kunstmuseums-Galerie in den Wandel-Hall
Grieshaber-Stipendiatin Constanze Vogt bei ihren hängenden und liegenden Objekten in der Kunstmuseums-Galerie in den Wandel-Hallen. FOTO: KNAUER
Grieshaber-Stipendiatin Constanze Vogt bei ihren hängenden und liegenden Objekten in der Kunstmuseums-Galerie in den Wandel-Hallen. FOTO: KNAUER

REUTLINGEN. Sechs Wochen war die Kunstmuseums-Galerie im Untergeschoss der Wandel-Hallen wegen Corona dicht. Nun öffnet sie wieder – und alles ist anders. Bis Januar verwandelte das Kunstzentrum Eleven Artspace die langen Bogenfluchten in ein anarchisches Labor. Danach zog sich mit »Kunst Reutlingen« ein buntes Mosaik der Positionen durch die Säulengänge. Und nun: strenges Schwarz und Weiß abstrakter Figuren in einem feierlich-verspielten Tanz.

Die Kielerin Constanze Vogt stellt von diesem Samstag an hier aus. Vernissage gibt es wegen Corona keine, aber die Künstlerin ist da und steht zum Gespräch bereit, natürlich mit Maske.

Die ist Pflicht für die Besucher, zudem gibt es ein Wegesystem im Haus: Nach oben geht’s per Aufzug, runter, soweit man mobil ist, zu Fuß. Oben locken ja noch zwei weitere Ausstellungen (siehe Artikel unten). Nur die Stiftung für konkrete Kunst im Dachgeschoss ist wegen Dacharbeiten derzeit nicht zugänglich.

Seit Oktober in Reutlingen

Seit Oktober hat Vogt als Grieshaber-Stipendiatin das Atelier neben der Pupille für sich. Ihrer Arbeit habe das Schub gegeben. Zumal die enorm zeitintensiv ist. Mit Hunderten von Fäden, die sie über Hula-Hoop-Reifen spannt, lässt sie filigrane Hängeobjekte entstehen. Ein spezieller Rahmen vom Textildesignbereich der Reutlinger Hochschule half ihr, die Fadenspannung gleichmäßig zu halten. Aufwendig auch Gebilde aus zig Kohlepapierbögen, die sie miteinander vernäht, schichtet und faltet. Oder große Bögen aus Fotopapier, die sie mit der Nähmaschine ringsum so lange bearbeitet, bis sich durch die Fadenspannung in der Mitte ein heller flacher Berg erhebt.

Acht Stunden pro Tag feilte Vogt an den Objekten. »Man muss aufpassen, dass es nicht auf den Rücken geht«, lächelt sie. Der Shutdown habe für sie kaum Auswirkungen gehabt: »Ich war die ganze Zeit in Kunst-Quarantäne!« Von Reutlingen habe sie daher noch wenig mitbekommen. »Das kommt jetzt erst noch.«

Ihre filigranen Objekte ins Untergeschoss der Wandel-Hallen zu bekommen, war ein Abenteuer für sich. »Die fragilen Objekte aus Kohlepapier haben wir auf Tragen heruntergebracht wie schwerkranke Patienten«, lacht Katharina Neuburger, die stellvertretende Leiterin des Kunstmuseums. Nun hängen sie hier wie unheimliche Schattenwesen von der Decke. Die umnähten weißen Fotopapierbögen kauern wie Riesenamöben am Boden. Die runden Fadenfiguren wiederum bilden filigran und durchscheinend eine Gruppe wie verzauberte Ballerinen.

All das ergibt einen wunderlichen Reigen, inmitten der Fluchten von Säulen und Bögen, die selbst bereits einen Reigen entfalten. Vogt greift diesen rhythmischen Schwung der Architektur auf, erzählt ihn weiter in ihren Objekten.

»Wenn die Besucher um die Objekte herumlaufen, gibt es sofort eine Interaktion«, erläutert die Künstlerin. Sie führt es an einem ihrer Fadenobjekte vor – durch den Luftzug dreht sich das Gebilde sanft. Die hängenden Schattengestalten aus Kohlepapier wiederum schwingen sanft beim Vorbeischlendern, ein zarter Tanz.

Kohlepapier an Kohlepapier

Ausgangspunkt seien ihre Strichzeichnungen gewesen, verrät die in Kiel lebende Künstlerin. Mit dem Fineliner gezeichnete Linien, jede genau gleich lang, setzt sie mit dem Lineal dicht an dicht aneinander. Entwickelt so Gebilde, die wie 3-D-Computergrafiken über die Bildfläche mäandern. Diese scheinbare Räumlichkeit habe sie in eine tatsächliche übersetzen wollen. Statt Linie an Linie zu setzen, nähte sie Kohlepapier an Kohlepapier. Die Anmutung des Materials habe sie gereizt, massig und schwerelos zugleich, zudem auch ein Mittel des Duplizierens.

In den Fadenobjekten hat sie Hula-Hoop-Reifen verschiedener Größen verarbeitet. Da steckt wieder der Bezug zum Körper drin, das ist ihr wichtig. Die Figuren sind von ihr immer auch als ein Gegenstück zur Körperlichkeit des Betrachters gemeint. Der Besucher, er wird, ob er will oder nicht, beim Wandeln durch die Halle zum Teil dieser still-surrealen Choreografie. (GEA)

 

AUSSTELLUNGSINFO

Die Ausstellung »pausen« von Grieshaber-Stipendiatin Constanze Vogt ist von diesem Samstag an bis 6. September im Kunstmuseum Reutlingen/Galerie im Untergeschoss der Wandel-Hallen, Eberhardstraße 14 in Reutlingen, zu sehen. Geöffnet ist Dienstag bis Samstag 11 bis 17 Uhr, Donnerstag bis 19 Uhr, an Sonn- und Feiertagen von 11 bis 18 Uhr. (GEA)

www.kunstmuseum-reutlingen.de