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Konzert mit Performance »Current Flow« im Reutlinger Innoport uraufgeführt

Das Projekt »Current Flow« brachte im Reutlinger Innoport Musik und Theater, Württembergische Philharmonie und Capella Vocalis, Performer und Publikum zusammen.

Schauspielerin Jana Rath und Schauspieler Elias Popp performen in »Current Flow«.
Schauspielerin Jana Rath und Schauspieler Elias Popp performen in »Current Flow«. Foto: Christoph B. Ströhle
Schauspielerin Jana Rath und Schauspieler Elias Popp performen in »Current Flow«.
Foto: Christoph B. Ströhle

REUTLINGEN. Manchmal braucht es denkwürdige Ereignisse, um einen Ort stärker - oder überhaupt erst - im Bewusstsein der Menschen zu verankern. Die Uraufführung von »Current Flow« war so ein Ereignis. Der Ort: der Reutlinger Innoport, den die Württembergische Philharmonie Reutlingen (WPR) zusammen mit den Chören der Capella Vocalis (Einstudierung: Hermann Dukek und Stefan Weible) und den Darstellern Jana Rath und Elias Popp bespielte.

Von der Philharmonie beauftragt, hatte die junge Schweizerin Carmen Nuñez das Stück ersonnen und übernahm neben der Rolle als Komponistin und Arrangeurin auch die der Regisseurin, Choreografin und Ausstatterin. Am Dirigentenpult war bei der Uraufführung am Samstag, die sich mit dem EM-Spiel Deutschland gegen Dänemark überschnitt, Thomas Herzog zu erleben. Der von WPR-Intendant Cornelius Grube vorausgeschickte Dank galt insbesondere dem Team des Reutlinger Innovationszentrums Innoport, dem Technik-Dienstleister DSR und den Sponsoren Christel-Guthörle-Stiftung, Albrecht-Beck-Stiftung und Kreissparkasse Reutlingen.

Viel beklatscht: Komponistin Carmen Nuñez nach der Uraufführung im Reutlinger Innoport.
Viel beklatscht: Komponistin Carmen Nuñez nach der Uraufführung im Reutlinger Innoport. Foto: Christoph B. Ströhle
Viel beklatscht: Komponistin Carmen Nuñez nach der Uraufführung im Reutlinger Innoport.
Foto: Christoph B. Ströhle

An Publikum mangelte es nicht, auch wenn einige Plätze an dem Abend in der Industriehalle leer blieben. Man saß um eine leicht erhöhte runde Bühne herumgruppiert, auf der Rath und Popp performten. Das Orchester und der Chor waren auf einer separaten Bühne an einem der Raumenden platziert.

Schon als die Zuschauerinnen und Zuschauer die Halle betraten, bitzelte, zirbte und grollte es im Raum dezent. Was hier noch geräuschhafte Untermalung war und auf stiebende Funken und elektrische Signale verwies, wurde in Nuñez' Konzert mit Performance auch musikalisch entwickelt. Dabei erzählte »Current Flow« (dt.: »Fließender Strom«) von der Entstehung des Lebens im naturwissenschaftlichen Sinn. In Toneinspielern wurde das Publikum mit sechs Kriterien vertraut gemacht, die, wie es hieß, erfüllt sein müssen, damit ein Organismus als lebendig gelten kann. Jedem dieser Kriterien - Zellbildung, Wachstum, Stoffwechsel, Bewegung, Reaktion auf die Umwelt und Fortpflanzung - war ein textlich-musikalischer Abschnitt gewidmet. Wobei die Musikerinnen und Musiker die naturwissenschaftlichen Pfade bisweilen verlassend dem Schöpfungsakt auch einen philosophisch-religiösen Rahmen gaben.

Ein Raum des Staunens

Das geschah etwa, wenn durch Chor und Orchester Joseph Haydns »Vollendet ist das große Werk« aus dem Oratorium »Die Schöpfung« eingewoben war. Oder ein »Dona nobis pacem« von Piret Rips. Auf der visuellen Ebene übersetzten die Performer Rath und Popp, teilweise unterstützt von den jungen Chorsängerinnen und Chorsängern, Prozesse wie Zellbildung, innerkörperliches Wachstum und Stoffwechsel in Bewegung und Tanz. Expressiv bisweilen, archaisch, einen Raum der Selbstverständlichkeit, aber auch des Staunens schaffend, wie dies auch Nuñez' Musik tat. Dabei vom Funken, der Energie freisetzt und Leben erweckt, vom Denken, Fühlen und Kommunizieren erzählend.

Als Hilfsmittel wurden der Schauspielerin und dem Schauspieler Kreideschlamm oder Sand gereicht, die bei ihnen ein Interagieren, eine nonverbale Kommunikation in Form von Bewegung und Tanz in Gang setzte. Auch Stoffbänder und ein goldener Käfig, der zum Rumpf eines menschlichen Organismus wurde. Durch zugespielte Samples gesteigert wurde ansonsten ein überwiegend farbenreicher Filmmusik-Ton, den Thomas Herzog und die Musikerinnen und Musiker der Württembergischen Philharmonie mal flirrend, mal ins Monumentale gesteigert fabrizierten. Wobei auch die Chorstimmen als Klangfarben eingesetzt wurden. Christian Müller war als überzeugend auftretender Knabensolist zu hören.

Popsong aus den 40er-Jahren

Im Abschnitt zum Wachstum fand man sich in einem »Einkaufszentrum der Körperteile« wieder, wozu als »Kaufhausmusik« ein luftiger Bossa-Nova erklang. Auch der von Mack Gordon and Harry Warren Anfang der 1940er-Jahre geschriebene Song »At Last (My Love Has Come Along)« war - wirkungsvoll dargeboten - in die Aufführung eingebaut.

Das Publikum, das sich an einer Stelle durch Stoffbänder mit dem angedeuteten Organismus auf der Bühne verbunden sah, feierte, als der letzte Ton verklungen war, die an der Aufführung Beteiligten und Komponistin Carmen Nuñez mit donnerndem Applaus und Bravo-Rufen. (GEA)