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Knutschende Barbiepuppen: Opera Laiblin führt »Orpheus in der Unterwelt« in Pfullingen auf

Der Verein Opera Laiblin bringt in den Pfullinger Hallen Jacques Offenbachs Operette »Orpheus in der Unterwelt« heraus - mit reichlich Bezügen zur Popkultur.

Hier hat Eszter Gyüdi als Göttin Diana ihren Auftritt.
Hier hat Eszter Gyüdi als Göttin Diana ihren Auftritt. Foto: Christoph B. Ströhle
Hier hat Eszter Gyüdi als Göttin Diana ihren Auftritt.
Foto: Christoph B. Ströhle

PFULLINGEN. Er hat es wieder getan: Der Pfullinger Verein Opera Laiblin hat Gesangssolisten, die noch studieren oder bereits junge Profis sind, engagiert und bringt mit ihnen und in der Region gecasteten Chorsängern und Instrumentalisten zum vierten Mal eine Musiktheater-Produktion auf die Bühne der Pfullinger Hallen. Jacques Offenbachs spritzig-witzige Operette »Orpheus in der Unterwelt«, auf Deutsch gesungen und gespielt, erweist sich - wie Johann Strauss' »Die Fledermaus« vor zwei Jahren - als wunderbare Spielwiese für die jungen Talente. Eine, die sie mit Können, sichtlichem Vergnügen an der Unterhaltung und einer gehörigen Portion Komik und Ausgelassenheit zu nutzen wissen. Kein Wunder, dass es bei der Premiere am Samstagabend dafür Standing Ovations gab.

Charmant ist der Bezug zur Gegenwart beziehungsweise zur Popkultur, den die Regisseurinnen Constanze Barocka und Elisabeth Scharkin für das Werk aus der Mitte des 19. Jahrhunderts finden. Da betritt Eszter Gyüdi als Diana, Göttin der Jagd, als Lara-Croft-Verschnitt die Bühne. Pluto-Darsteller David Krahl sieht aus wie der Sänger einer Death-Metal-Band. Im Tretroller fahrenden Merkur, dargestellt von Kilian Wacker, vermeint man etwas von Inspektor Clouseau zu erkennen. Jasmin Hofmann kommt als »die öffentliche Meinung« mit Schutzweste auf dem Fahrrad daher, wobei sie mit Schreckensszenarien wie Shitstorms in den sozialen Medien oder negativen Wikipedia-Einträgen Menschen wie Götter gefügig macht. Selbst der Blitze schleudernde Jupiter (Jonathan Paulsen) zeigt sich von ihr beeindruckt.

Tummelplatz der Schönen und Reichen

Der Olymp erscheint hier als Tummelplatz der Schönen und Reichen, die in der Operette die Unterwelt als Partylocation für sich entdecken. Der berühmte Höllen-Cancan (»Galop infernal«) hat etwas von einem den Gedanken an die Sterblichkeit brüsk beiseite schiebenden Rave.

Wunderbare Stimmen finden in der Aufführung zusammen. Neben den Genannten sind das Timm Schuhmacher als Orpheus, Jeanne Seguin als Eurydike-Stimmdouble - gespielt wird Orpheus' Ehefrau von Johanna Pommranz -, Benjamin Maier als Hans Styx, Tamuna Melanashvili als Juno, Ashkhen Varzhapetyan als Venus, Sanghee Han als Minerva und Sophie Lauerer als Cupido. Toll beispielsweise, wie Lauerer scheinbar mühelos ihre Koloraturen trällert, während sie die Barbiepuppen in ihren Händen einander wild küssen lässt. Oder wie Benjamin Maier als Anticharmebolzen Hans Styx den Operettenklassiker »Als ich einst Prinz war von Arkadien« anstimmt und dabei wie der gebratene Schwan in Carl Orffs »Carmina Burana« klingt. Für solche Kabinettstückchen gibt es bei der rund dreistündigen Aufführung - gespielt wird die Mixed Version von Ludwig Kalisch und Frank Harders-Wuthenow mit der Konzertouvertüre von Carl Binder - Szenenapplaus. Die Bühnenpräsenz der Jungdarstellerinnen und -darsteller, auch des Chores, ist beeindruckend.

Beweglicher Orchesterklang

Dirigiert hat bei der Premiere Michael Braunger, der sich die musikalische Leitung mit Joachim Schönball teilt. Es ist eine mit beweglichem Orchesterklang gezeichnete, schwungvoll-eingängige Musik, schlank und durchsichtig, die sich mit der satirischen Handlung der Operette verbindet. Hier und da auch mal süffig.

Lotta Letsches verspielt-ausgefallene Kostüme sind ein Traum - der auch mal aus einem Hauch von Nichts bestehen kann. Steffen Burkowitz und Elia Werner zaubern dazu Lichtstimmungen, die im Zusammenwirken mit den Jugendstil-Wandbildern in den Pfullinger Hallen eine besondere Wirkung entfalten.

Aufführungsinfo

Die Operette »Orpheus in der Unterwelt« von Jacques Offenbach wird in der Reihe Opera Laiblin noch am 15., 17. und 18. Oktober jeweils um 19 Uhr in den Pfullinger Hallen aufgeführt. Karten gibt es in der Pfullinger Buchhandlung am Laiblinsplatz sowie online. (GEA)

karten.opera-laiblin.de

Die Szenen einer zur Langeweile verkommenen Ehe sind kraftvoll und derb eingefangen. Timm Schuhmacher als Orpheus und Johanna Pommranz als Eurydike werfen sich die Bälle nonchalant bis überreizt zu. Am Ende ist es der von Pluto entführten und von Orpheus nur beinahe aus der Unterwelt zurückgeholten Eurydike gar nicht so unrecht, dass aus ihr - in Erfüllung ihres Bildes einer selbstbewussten Weiblichkeit - eine Bacchantin wird. (GEA)