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Aktuell Jazzkonzert

Kleiner Mann mit großer Stimme: Kenny Washington im Reutlinger Pappelgarten

Das Kenny Washington Quartet überzeugt mit schönen Jazzballaden im gut besuchten Reutlinger Pappelgarten.

Der Grammy-nominierte Sänger Kenny Washington bei seinem Auftritt im Pappelgarten.
Der Grammy-nominierte Sänger Kenny Washington bei seinem Auftritt im Pappelgarten. Foto: Jürgen Spieß
Der Grammy-nominierte Sänger Kenny Washington bei seinem Auftritt im Pappelgarten.
Foto: Jürgen Spieß

REUTLINGEN. Es sind die ganz großen Namen, die einem einfallen, wenn man seine Stimme zum ersten Mal hört: Frank Sinatra, Nat King Cole, Gregory Porter. Derlei Vergleiche hören sich zunächst einmal sehr hochgestochen an, zumal für einen Jazzvokalisten, der lange unentdeckt als Gospel-Sänger in einer baptistischen Kirche seiner Heimatstadt und in der U.S. Navy Band unterwegs war.

Doch im Fall von Kenny Washington, der vor knapp 67 Jahren als Clark Kent in New Orleans geboren wurde, kann man getrost davon ausgehen, dass ihm derartige Vergleiche selbst dann nicht zu Kopf steigen, wenn er sich ausschließlich an den Besten orientiert. So entspannt, wie sich das anhört, so entspannt klingen auch seine geschmackvollen Swing- und Bebop-Interpretationen. Am Montagabend im gut besuchten Reutlinger Pappelgarten lässt der Grammy-nominierte Sänger einen kleinen Ausschnitt davon hören. Musikalisch bietet Kenny Washington zwar nichts Neues, aber seine außergewöhnliche Stimme und die Fähigkeit, wunderschönen Jazz- und Swingklassikern einen emotionalen Anstrich zu geben, sind Argumente genug.

Jazzstandards und Easy-Listening-Klassiker

Washington trägt die Balladen im Verbund mit dem Augsburger Pianisten Theo Kollross, dem aus Bayern stammenden Kontrabassisten Martin Zenker und Schlagzeuger Kim Minchan aus Südkorea mit zu Beginn noch verhaltener, aber von Song zu Song sich steigernder Stimme vor. Vor allem ist es die Kombination aus Intonation, Stimmlage und Timing, die seine intensive Stimme zur Geltung bringt. Musikalisch orientiert sich der Abend an der Swing-Ära, an Jazzstandards und Easy-Listening-Klassikern von Nat King Cole, Dinah Washington, Miles Davis, Ben Bernie und Crooner-Idol Frank Sinatra. Natürlich dürfen da Songs wie »Bewitched«, »Just One Of Those Things«, »All Blues«, »It’s Crazy« oder »What A Difference A Day Makes« nicht fehlen.

Dazu packen seine drei routinierten Mitspieler die Evergreens in ein pulsierendes Arrangement, ohne große Experimente und ohne allzu ausufernde Soli. Vor allem Pianist Theo Kollross überzeugt wiederholt mit virtuosen Klangbildern und steht oft im Mittelpunkt, wenn sich der kleine Jazzvokalist aus New Orleans eine Auszeit nimmt. Wie die klassischen Swingnummern der 40er- bis 60er-Jahre übertragen Kenny Washington und seine drei Mitspieler gerne zeitlose Befindlichkeiten in smarte Unterhaltungsmusik.

Ist er es, ist er es nicht?

Und wenn man dann bei einer der an Woody-Allen-Filmmusik erinnernden Jazzballaden die Augen schließt, sind da wieder diese schnell wie Herbstschauer kommenden und gehenden Eindrücke: Er ist es, er ist es nicht, er könnte es sein. Nein, nicht Frank Sinatra, Kenny Washington singt – und alles ist gut. (GEA)