REUTLINGEN. Jeff Gardner passt in keine Jazz-Schublade. Es sei denn, man gesteht diesem Wanderer zwischen den Stil-Welten zu, dass er darin ein eigenes Türchen bekommt, welches ihm seine ganz spezifischen Eigenheiten belässt. Zwischen Auftritten in Brüssel und Paris machte der US-Pianist im Rahmen seiner Europatournee am Montag einen Abstecher in den Pappelgarten. Dabei glänzte Gardner, der heute seinen 71. Geburtstag feiert und sich auch als Hochschullehrer und Autor zahlreicher Fachbücher einen Namen gemacht hat, durch sein individuelles Klavierspiel.
Musik kann so viele Dinge auf einmal sein. Sie kann gedankliche Bilder hervorrufen, ist in vieler Hinsicht aber auch oft limitiert, abstrakt, letztlich auf sich selbst gerichtet. Ein Bach bezieht sich auf Bach, egal was man damit anstellt. Jazz jedoch, oder genauer die Improvisation, geht von diesem abstrakten Moment aus und kann die Musik weiterführen. Das gelingt dem New Yorker Pianisten Jeff Gardner, der seit 22 Jahren in Brasilien lebt, auf eindrückliche Art und Weise. Er schafft es, die Klänge anders und individuell zu gestalten und sich damit vom Rest der Szene zu unterscheiden. Das macht seine Klavierimpressionen unabhängig von Stilvorgaben.
Liebe zu brasilianischer Musik
Dabei verhehlt Gardner nicht seine Liebe zur brasilianischen Musik und speziell zum Samba und Bossa Nova. Er bewegt sich aber auch gerne in der guten alten Tradition des Blues, verleiht einer Hommage an den spanischen Komponisten Federico Mompou eine starke spirituelle Sogwirkung oder schwelgt in einer melancholischen Ballade, die er ausschließlich mit der linken Hand spielt. Gelegentlich belebt ein Lächeln sein Gesicht, oder er erklärt diverse Berührungspunkte von brasilianischer Musik und Jazz. Mit einfältigem Standardjazz hat diese Musik wenig zu tun, und schon gar nichts mit einer irgendwie modischen, anbiedernden Haltung.
Sein Anschlag und seine Klangfarbe sind klar, unter fast völligem Verzicht aufs Pedal und zuweilen nur mit einer Hand gespielt. Die Liste der gespielten Titel zeugt von einer weiten stilistischen Palette, angefangen bei einer eindrücklichen Interpretation des Thelonious-Monk-Klassikers »Round Midnight« über einen Ragtime-Standard bis zu der hymnischen Eigenkomposition »Dad’s Dream«, die er seinem Vater gewidmet hat. Seine Musik lebt nicht von rasanter Höchstgeschwindigkeit, und auch verkopfter und bis ins Bizarre zersplitterter Jazz ist nicht sein Ding. Eigentlich geht der stets eine runde Mütze tragende Musiker recht unspektakulär, aber überaus souverän zu Werke.
Kein Gran Beliebigkeit
Das Spiel des ehemaligen Sideman von Kenny Wheeler, Gary Peacock, Eddie Harris, Steve Lacy und Freddie Hubbard ist prägnant, seine Phrasierungen sind konzentriert und enthalten kein Gran Beliebigkeit. Nicht nur nach Ansicht einer Besucherin hätte der knapp anderthalbstündige Auftritt von Jeff Gardner weit mehr als die rund 20 Besucher verdient gehabt. (GEA)