GOMARINGEN. Ein paar einordnende Sätze vorab von Bratschist Sebastian Wohlfarth genügten, um gespanntes Interesse zu wecken. An Luigi Boccherini, der eine wichtige Rolle bei der Entwicklung musikalischer Gattungen wie dem Streichquartett spielte. An Wolfgang Amadeus Mozart, der schon in jungen Jahren inspiriert Musik für diese Besetzung komponierte. An Ludwig van Beethoven, der den Zug ins Monumentale, der etwa der »Eroica« oder dem Es-Dur-Klavierkonzert eigen ist, auf die Kammermusik übertrug und die Musiker vor neue spieltechnische Herausforderungen stellte.
Mit dem Apollon Quartett war ein Ensemble im Gomaringer Schloss zu Gast, das auf ganz meisterliche Weise Musik aus dieser Zeit zu interpretieren verstand. Lisa Immer und Stella Manno (Violinen), Sebastian Wohlfarth (Viola) und Juris Teichmanis (Violoncello) kamen mit der relativ trockenen Akustik im Bürgersaal gut zurecht.
Dramatische Schlusswendung
Luigi Boccherinis 47. Quartett in g-Moll op. 32/5 präsentierten sie mit musikantischer Spielfreude. Auffallend: die veritable Konzertkadenz im Schlusssatz mit Anklängen an den virtuosen Violinstil des Barock. Der Einstieg in das Werk steckte voller italienischer Sanglichkeit. Vorhaltsseufzer und elegant pointierte Rhythmen bestachen. Ein eher nobler, distanzierter Ton prägte das Andantino, während das Menuett fast schon ernst klang und mit einem Trio mit dramatischer Schlusswendung aufwartete. Das Finale geriet den hellwach aufeinander reagierenden Musikern theatralisch, eigenwillig, kapriziös.
Bei Mozarts Streichquartett Nr. 3 in C-Dur KV 157 war alles im ersten Satz Gesang, war Esprit aufs Wunderbarste mit Anmut verwoben. Berührend, wie, mit schmerzlichen chromatischen Nebennoten angereichert, die erste Geige im Andante ihre Klagearie im 3/8-Takt anstimmte. Manches schien in dieser Musik Wendungen Franz Schuberts vorwegzunehmen. Das Finale, mit Synkopen durchsetzt, geriet in der Darbietung durch das Apollon Quartett überschwänglich, motivisch und rhythmisch originell.
Einem russischen Grafen gewidmet
Nach der Pause war es Beethovens Streichquartett in F-Dur op. 59 Nr. 1, mit dem das Ensemble beeindruckte. Ein experimentelles und kühnes Werk, dem russischen Grafen Rasumowsky gewidmet, zugleich in einer unglaublich ausgewogenen Form daherkommend. Und das mit einer Dichte der Klangereignisse, wie sie zur Entstehungszeit sonst nur ein Sinfonieorchester zu bewältigen hatte. Lyrisch-pastorale Melodie und drängender Duktus im ersten Satz, atemberaubendes Meisterstück motivischer Arbeit im zweiten, gefolgt von einem der abgründigsten langsamen Sätze, die Beethoven je komponiert hat, mit einem »Walking Bass« im Cello. Die Trauermusik endete überraschend in einer Violinkadenz, die zum »Thème russe« des Finales überleitete. Dieses Sonatenrondo klang, abgesehen von eingeschobenen ätherischen Adagio-Takten, quicklebendig, in Teilen kämpferisch.
Ein »Nordic Folk Tune« als Zugabe rundete den gleichermaßen packenden wie berührenden Kammermusikabend im Schloss ab. (GEA)