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Kein flatterhafter Schmetterling: »Madama Butterfly« in der Reutlinger Stadthalle

Das Nationale Akademische Operntheater aus Charkiw, Ukraine, brachte große Gefühle nach Reutlingen. Aufgeführt wurde Giacomo Puccinis Oper »Madama Butterfly«.

Cio-Cio-San (Nadiia Yeremenko) und Pinkerton (Ihor Bondarenko) noch ganz verliebt.
Cio-Cio-San (Nadiia Yeremenko) und Pinkerton (Ihor Bondarenko) noch ganz verliebt. Foto: pr
Cio-Cio-San (Nadiia Yeremenko) und Pinkerton (Ihor Bondarenko) noch ganz verliebt.
Foto: pr

REUTLINGEN. Ergreifend geht es aus mit Madama Butterfly in Giacomo Puccinis gleichnamiger Oper. Zwei Welten treffen aufeinander, zwei Kulturen, zwei Lebensstile: Amerika als der Westen und Japan als Vertreter des Fernöstlichen. Ein Kontrast, der Puccini überaus fesselte und der bis heute die Oper als Faszinosum dastehen lässt. Unterschiede vermögen einander anzuziehen, doch genau daran kann auch das voneinander Angezogene scheitern. In »Madama Butterfly« ist es die Flatterhaftigkeit des amerikanischen Marineoffiziers Pinkerton, der sich in die schöne junge Cio-Cio-San verliebt, diese nach der Heirat jedoch bald verlässt, da dies in Japan als Scheidung gilt und nichts weiter zu veranlassen ist. Gegenüber dieser Unbeständigkeit steht Butterflys unverbrüchliche Treue und ihr Treuglaube.

Die Reutlinger Stadthalle lebt im musikalischen Bereich von Konzerten, und doch ist ein Opernauftritt gelegentlich einbezogen. Am Sonntagabend konnte man das Nationale Akademische Operntheater aus Charkiw, Ukraine, mit seiner Interpretation erleben, wenn es leider auch nicht zu einer vollen Halle führte. Und doch wusste dieser kleinere Kreis ungemein zu schätzen, was die Musiker schufen, sowohl atmosphärisch als auch künstlerisch.

Puccini pur

Denn unter Armen Kaloians Regie durfte Puccini leben, rein und pur. Nichts von aufgezwungener Moral oder gar einbezogen in heutige Zeiten, sondern so, wie es aus Puccini’s Zeit und aus seinem Geiste geboren war. Das Bühnenbild wie man sich Japan vorstellt. Als Hintergrundmalerei eine reizvolle Landschaft mit Bäumen, Blütenpracht, Meer und Felsen. Die Kostüme ebenfalls traditionell, prächtig und bunt, die den wunderbaren Stimmen der Sänger weitere Konturen verliehen.

Und noch ein weiterer Aspekt verhilft einer Opernaufführung zu einem guten Gelingen: Das Schauspielen, das Agieren, das Ankommen in der zu verkörpernden Person. Und ebendieses Sicheinfinden in der Person war zweifellos als authentisch wahrzunehmen. Nadiia Yeremenko als Cio-Cio-San war gutgläubig, grazil und doch felsenfest und unbeirrt auf ihrem Weg und in ihrem Wertempfinden. Dies alles legte sie auch in ihre Stimme hinein, mal üppig und mit viel Vibrato, mal zart, sacht, verletzlich, mal wütend, empört und tief verletzt, immer authentisch.

Pinkerton (Ihor Bondarenko) repräsentierte sich als stolz, selbstgefällig und doch auch als zugänglich für Zartes, Schmuckes, und mit seinem brillanten Tenor waren nicht nur die Liebesmomente ein Erlebnis. Im Duett dieser beiden Verliebten verzahnten sich die Stimmen ineinander, eng umschlungene Flammen, voll gleißender Liebeswucht, bei ihm irrlichternd, bei ihr unzerstörbar. Viktoriia Zhytkova als Suzuki erwies sich als mitreißend, mit markantem und prachtvollem Mezzosopran, stets mitfühlend und ihrer Herrin innig zugetan. Auch die anderen Solisten überzeugten stimmlich (Volodymyr Kozlov, Sergiy Ledenov, Serhii Zamytskyi, Mykyta Marynchak und Anna Danich).

Atmosphäre und Schaffenskraft

In dieses eindrucksvolle Bild gliederte sich auch das Orchester der Ukrainian National Opera nahtlos ein, das die jeweilige Atmosphäre einzufangen wusste. Yurii Yakovenko (Leitung) legte Wert auf ein ausgewogenes Gleichgewicht zu den Sängern, auf gepflegte Klänge und förderte die Schaffenskraft der Musiker.

Man muss als Reutlinger demnach nicht immer nach Stuttgart oder Ulm ausweichen, um Oper zu erleben. Umso bedauerlicher, dass das Angebot nicht von mehr Menschen wahrgenommen wurde. Jene, die anwesend waren, würdigten es dessen ungeachtet mit stehendem Applaus. (GEA)