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Junges LTT Tübingen mit interaktiver Spielshow: Wenn Konsum zum Hobby wird

Das Junge LTT Tübingen bringt mit »Shopping Animals« eine knallbunte interaktive Spielshow auf die Bühne.

Daniel Hölzinger (links) und Jonas Breitstadt laden das Publikum in der Spielshow »Shopping Animals« zum Mitmachen ein.
Daniel Hölzinger (links) und Jonas Breitstadt laden das Publikum in der Spielshow »Shopping Animals« zum Mitmachen ein. FOTO: MARTIN SIGMUND/LTT
Daniel Hölzinger (links) und Jonas Breitstadt laden das Publikum in der Spielshow »Shopping Animals« zum Mitmachen ein. FOTO: MARTIN SIGMUND/LTT

TÜBINGEN. Schon etwas seltsam, wenn wie am Mittwoch bei der Premiere des neuen Stücks »Shopping Animals« des Jungen LTT zu großen Teilen Erwachsene im Publikum sitzen und sich an Mitmachspielen beteiligen, die doch eigentlich für Kinder ab zehn Jahren gedacht sind.

Doch sind wir nicht alle irgendwie Shopping Animals? Wesen, die in dem Sinne konsumieren, dass sie Dinge nicht in erster Linie benutzen, verbrauchen oder aufbrauchen, sondern vor allem anhäufen? Was das betrifft, habe das aus dem Lateinischen stammende Wort Konsum längst eine Wandlung erfahren, erklären die Schauspieler Jonas Breitstadt und Daniel Hölzinger, die durch die interaktive Spielshow und theatrale Auseinandersetzung mit dem Thema führen.

Hier das Schickste, dort das Trendigste oder auch einfach nur das, was uns gerade anlacht. Ein Klick im weltweiten Netz reicht – wir lehnen uns zurück und warten, bis der Postbote oder die Zustellerin es uns bringt.

Und sind wir nicht alle auch irgendwie Spieler? Die Älteren mögen sich an Rudi Carrells »Am laufenden Band« erinnern. Mit einem Sachenmerkspiel, das an diese 70er-Jahre-Fernsehshow anknüpft, brechen die Bühnenakteure das Eis. Selbst die Erwachsenen sind mehr oder weniger eifrig dabei. Später darf man sich dann wie bei »Dalli Dalli« oder »Einer wird gewinnen« fühlen. Oder wie in mancher Show, die einen heutzutage vom Zuschauer zum Beteiligten macht.

Naschwerk fürs Publikum

Die Leiterin des Jungen LTT, Oda Zuschneid, und ihr Ensemble haben sich die »Show über Konsum und den Reiz der Dinge« ausgedacht – und bringen am Ende doch noch einige Unter-Achtzehnjährige aus dem Publikum groß raus, die neben Punkten etwa auch Naschwerk für alle erspielen. Witzig wird es, wenn Daniel Hölzinger und Jonas Breitstadt beim Publikum abfragen, wer denn schon ein Handy hat oder Taschengeld bekommt. Die Erwachsenen in der LTT-Werkstattspielstätte sehen einander fragend an oder lachen. Als ein Halbwüchsiger am Ende sagen soll, was er denn mit 100 Euro machen würde, fällt seine Antwort überraschend aus. »Sparen«, sagt er. »Tübinger!«, kommentiert Daniel Hölzinger trocken.

An keiner Stelle des Abends hat man den Eindruck, dass hier die moralische Keule geschwungen wird – auch wenn zwischen Spielen wie »Shopping-Karussell«, »Show Me What You’ve Got« und »Staffel-Bingo« immer wieder leise Konsumkritik anklingt. Was Smog ist, wird schon deutlich. Auch, was es bedeutet, wenn Plastik(-Spielzeug) die Weltmeere verschmutzt.

Sprechende Handtasche

Mehr angedeutet als ausgeführt werden die für die Betroffenen nicht immer erquicklichen Arbeitsbedingungen in anderen Ländern, die zum westlichen Wohlstand beitragen. Hier hätte man auch einem jüngeren Publikum durchaus mehr zumuten können. Aber es gehört zum Prinzip des Theaterabends, dass das Spiel im Mittelpunkt steht und einen Kritik am unreflektierten, zum Hobby gewordenen Konsum eher von hinten durch die Brust ins Auge trifft.

Ein plüschiger Panda und ein Känguru haben ihren Auftritt. Auch sonst wechseln die Akteure auf der Bühne munter die Kostüme (verantwortlich: Co-Autorin Twyla Zuschneid), sind im Ganzkörperanzug als sprechende Handtasche oder als Markenkinderturnschuh unterwegs und zeigen – warum, weiß keiner – eine Vorliebe für Wolfgang-Petry-Frisuren. Michael Lohmann sorgt mit Musik, Sounddesign und Video dafür, dass der knallbunte Abend auch medial überzeugen kann.

An diesem Freitag noch ist »Shopping Animals« im LTT zu sehen, dann ist das Tübinger Modell vorerst beendet, das es erlaubte, mit einem negativen Corona-Schnelltest die Theater in der Unistadt zu besuchen. Wann das wieder möglich sein wird, kann derzeit wohl niemand sagen. (GEA)