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Jakob Manz und Johanna Summer im Reutlinger Jazzclub

Jakob Manz und Johanna Summer haben ihr zweites Album veröffentlicht und im Reutlinger Jazzclub Mitte vorgestellt: Saxofon und Piano begegnen sich auf wunderbare Weise.

Wunderbares Zwiegespräch: Johanna Summer und Jakob Manz im Jazzclub Mitte.
Wunderbares Zwiegespräch: Johanna Summer und Jakob Manz im Jazzclub Mitte. Foto: Thomas Morawitzky
Wunderbares Zwiegespräch: Johanna Summer und Jakob Manz im Jazzclub Mitte.
Foto: Thomas Morawitzky

REUTLINGEN. Er war elf Jahre alt, als er an diesem Ort zum ersten Mal auf der Bühne stand, bei Sessions im Reutlinger Jazzclub Mitte spielte. Und das ist auch erst 14 Jahre her. Am Sonntagabend ist Jakob Manz zurückgekehrt, in Begleitung der Pianistin Johanna Summer. Der Gewölbekeller in der Gartenstraße ist voll besetzt, die Musik grenzt an ein Wunder: Hier sind zwei junge Musiker, die so virtuos wie seelenvoll zusammenwirken. Kennengelernt haben sie sich als Mitglieder des Bundesjazzorchesters. Johanna Summer lebt in Dresden, wurde 1995 geboren; Jakob Manz stammt aus Dettingen an der Erms, feiert im Mai seinen 25. Geburtstag.

»Cameo«, ihr zweites gemeinsames Album, erschien Ende Januar. Auf ihm hört man eigene Kompositionen, Interpretationen klassischer Werke, Interpretationen von Popsongs und Jazzstandards. Manz und Summer treten auf als Duo an Saxofon und Piano, in einer Instrumentenkombination, einer Konzertsituation, die überaus intim, transparent wirkt, in der jeder Ton, jede Wendung klar im Raum steht. Wie ein Wagnis mutet dies keine Sekunde lang an. Beide spielen mit verblüffend unaufdringlicher Sicherheit, lebendiger Gestaltung, Leichtigkeit und großem Gefühl. Es ist ein Abend des Staunens; im Jazzclub könnte man Nadeln fallen hören, immer dann, wenn sich in dieser traumhaften musikalischen Begegnung ein Moment der Stille auftut.

Türen öffnen sich

»Wenn wir gemeinsam Musik machen, geschehen viele Dinge ganz spontan, die sich keiner von uns so richtig erklären kann. Es gibt Momente, Bruchteile von Sekunden, in denen sich plötzlich eine Tür öffnet, und man geht dann gemeinsam durch« – das sagt Johanna Summer, gleich nach dem ersten Stück des Abends, ihrer Eigenkomposition »To the Opposite«, die auch das neue Album eröffnet, und fängt mit ihren Worten den Zauber der Musik sehr gut ein.

Konzertbesucher, die die Alben von Jakob Manz und Johanna Summer kennen, könnten vorbereitet sein auf diesen Abend – allein die Intensität, der sehr persönliche Zugriff auf unterschiedliche Stücke, die Freude an der gemeinsamen Improvisation, das Nebeneinander von ruhigen, feinfühligen Momenten und purer Energie fesselt im Konzert noch mehr. Jene Konzertbesucher, die mit dem Tonträger noch nicht vertraut sind, erleben ihre Überraschungen – wenn Jakob Manz seine Interpretationen des Volkslieds »Im schönsten Wiesengrunde« vorstellt oder des Popsongs »Flugzeuge im Bauch« – das letztere, in der Zugabe, ein rauschhaftes Stück weitschweifender, suchender, dynamischer Emotion, das nur noch über einige charakteristische Wendungen mit Herbert Grönemeyers Original verbunden scheint.

Stilistische Breite

»Someday my Prince will come«, »Always and forever« von Pat Metheny entstammen der ersten gemeinsamen Aufnahme des Duos, »The Gallery Concerts I« von 2022. »Hope Mechanism« von Johanna Summer wirkt wie ein musikalisches Räderwerk, das immer wieder aber auch in lyrische Momente ausbricht. Jakob Manz‘ »Delusion« beginnt mit tänzerischer Leichtigkeit und einer zarten Melodie und wandelt sich zum freien, impressionistischen Jazz. »Desperation and Hope« wiederum ist ein Stück, das Jakob Manz schrieb, nachdem er zum ersten Mal Frankfurt am Main besucht und dort das Elend der Obdachlosen in den Metropolen erlebt hatte – es beginnt mit dunklen Akkorden, dem feinen, schleifenden Spiel des Saxofons, es bleibt eine Elegie, in der Hoffnung und Verzweiflung manchmal rau, aufschäumend miteinander ringen, in die sich schmerzhafte, gebrochene Töne des Saxofons mischen, denen das Piano mit Lichtstrahlen antwortet.

»The Turmoil« dagegen ist ein wildes Stück. Jakob Manz spielt hier die Blockflöte, mit einem Furor, einem Drive, einer überbordenden Energie, die diesem Instrument gewiss kaum jemand zugetraut hätte. Ein Gegensatz, tatsächlich ein Experiment und eindrucksvoll gelungen: der vierte Satz der neunten Sinfonie von Gustav Mahler in einer verkürzten Version – für Johanna Summer ein Stück gewaltiger Transzendenz. (GEA)