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Jakob Manz und Johanna Summer bei Herbstlichen Musiktagen Bad Urach

Klangmagie im abgeschnittenen Bergdorf: Jakob Manz und Johanna Summer jazzen bei den Herbstlichen Musiktagen im Dorfgemeinschaftshaus Sirchingen. Wobei das meistbejubelte Instrument weder das Klavier noch das Saxofon ist.

Zwischen Tonkontrolle und Ekstase: Johanna Summer und Jakob Manz in Sirchingen.
Zwischen Tonkontrolle und Ekstase: Johanna Summer und Jakob Manz in Sirchingen. Foto: Armin Knauer
Zwischen Tonkontrolle und Ekstase: Johanna Summer und Jakob Manz in Sirchingen.
Foto: Armin Knauer

BAD URACH-SIRCHINGEN. Es war ein Heimspiel für Jakob Manz am Mittwochabend in Sirchingen bei den Herbstlichen Musiktagen. Auch wenn er nicht dort, sondern in Dettingen aufgewachsen ist und in Bad Urach zur Schule gegangen. Und auch wenn das Bergdorf momentan abgeschnitten ist von der Uracher Mutterstadt durch die Sperrung zweier Steigen. Und doch: ein Heimspiel. Der Zwischenapplaus machte es klar, der Jubel am Ende, als die Besucherschaft im vollen Dorfgemeinschaftshaus den Saxofonisten enthusiastisch als einen der ihren feierte.

Heimspiel für den Saxofonisten

Seine Klavierpartnerin Johanna Summer lässt sich mittragen von diesem Gefühl. »Es ist immer etwas Besonderes, wenn der Jakob hier in der Region auftritt«, stellt sie fest, in einer der Moderationen, mit der sich die beiden jungen Künstler sympathisch mit dem Publikum verbinden. Dieses Besondere des Heimspiels fühlt sie nun auch hier, nachdem sie allen Sperrungen zum Trotz »auf diesen Berg« hinaufgefunden haben. Um sich gleich zu korrigieren: »Hab ich was Falsches gesagt? Gilt das hier nicht als Berg? Eher als Hügel? Für mich ist das ein Berg!« Summer kommt aus Plauen im Vogtland, auch so eine Mittelgebirgsgegend.

Das Naturhafte spielt für beide eine zentrale Rolle. Ein Stück rankt sich um die Melodie des Volkslieds »Im schönsten Wiesengrunde«, was ein Schmunzeln des Erkennens im Publikum auslöst. In dämmrige Mollharmonien gewandet schleicht sich das Liedthema ein, verliert sich in Improvisationen am Klavier und am Altsaxofon, um am Ende in strahlendem Dur Wiederkehr zu feiern. Bei einem anderen Stück erklärt Summer, es vermittle ihr das Gefühl einer Wanderung, bei der sich immer neue Ausblicke ins Land hinaus eröffnen.

Aus ruhigen Keimzellen

Aber auch die urbane Welt bildet sich ab. »Desperation and Hope« aus der Feder von Manz ist angeregt durch seinen ersten Besuch in Frankfurt, wie er erzählt. Wo ihn der Anblick der vielen Obdachlosen am Hauptbahnhof erschütterte. Und ein Stück wie »Weird Blues« mit seinen kantigen Rhythmen und scharfen Harmonien hat großstädtisches Flair.

Mit seinem Jakob Manz Project streift der Jungstar am Saxofon durch Gefilde zwischen Jazz, Rock und Pop. Im Duo mit Summer ist die Keimzelle oft intime Kammermusik. Kein Schlagzeug, kein Kontrabasspuls, stattdessen am Beginn oft verträumte Klavier- oder Saxofonmotive, die aus der Stille aufsteigen. Ehe der Partner dazustößt und man beginnt, sich die Motive zuzuspielen, sich hochzuschaukeln, oft bis zu ekstatischen Höhepunkten. In denen Manz den Saxofonton geradezu hinauskreischt und Summer auf den Tasten wahre Orkane entfacht.

Reizvolle Gegensätze

Es sind diese Gegensätze, die den Reiz ausmachen. Zartestes Kräuseln und exzessive Klangentladung, weltentrückte Meditation und stürmisches Grooven – alles gibt es hier dicht beieinander. Die Tontechnik schafft es, das erstaunlich klar und brillant in den Mehrzwecksaal zu transportieren. Die sorgfältige Ausleuchtung der Akteure erfreut Besucher und Pressefotografen gleichermaßen.

Einiges vom aktuellen Studioalbum »Cameo« wird gespielt. Das schamanisch raunende »The Opposite« beispielsweise. Oder das energetisch pulsierende »Hope Mechanism«, beide von Summer komponiert. Den Standard »Someday My Prince Will Come« haben sie schon länger im Programm; er hat ihre Zusammenarbeit bei einer Nach-Session des Bundesjazzorchesters einst eingeleitet. Ihre Version von Pat Methenys »Always and Forever« schlägt den Bogen von lauschigen Soloteilen zu einem orchestral strahlenden Höhepunkt. Berührend die Fassung von Herbert Grönemeyers »Flugzeuge im Bauch« mit zärtlichen Saxofon-Gesängen über warmem Klaviergrund.

Höllenritt der Blockflöte

Den größten Szenenapplaus räumt jedoch eine Nummer ab, in der Manz das Saxofon gegen eine Blockflöte tauscht. Immer exzessiver züngelt hier die Musik, peitschen sich Klavier und Flöte gegenseitig hoch; teils pfeift Manz schrill keifende Töne auf dem abmontierten Flötenkopf. Ein klanglicher Höllenritt, an dem beide sichtlich Spaß haben.

Sie sind Individualisten und passen doch zueinander. Beide, Manz wie Summer, kennen auch die Klassikwelt, lassen sie hier und dort anklingen und bringen sie zum Grooven, öffnen intimer Kammermusik die Tore zur orchestralen Klang-Ekstase. Das Konzert wird in Erinnerung bleiben. (GEA)