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Aktuell Sommer Open Air

Integration mit Humor

Die Gruppe Rebell-Comedy bürstete im Stadion politisch unkorrekt ethnische Klischees gegen den Strich

Spätzlefan: der iranischstämmige Comedian Pu in Reutlingen.  FOTO: LARSSON
Spätzlefan: der iranischstämmige Comedian Pu in Reutlingen. FOTO: LARSSON
Spätzlefan: der iranischstämmige Comedian Pu in Reutlingen. FOTO: LARSSON

REUTLINGEN. Wer am Samstagabend im Kreuzeiche-Stadion politisch korrekte Stand-up-Comedy erwartet hat, wurde enttäuscht. Denn Stand-up-Comedy hält nichts von Political Correctness – und die Mitglieder von Rebell-Comedy, die hier im Rahmen des Sommer Open Airs auftraten, schon gar nicht.

Alle Künstler haben ihre Wurzeln im arabischen Raum, der Türkei, dem Iran, Marokko oder Ägypten und alle sind in Deutschland aufgewachsen. Sie sind böse und direkt und gehen dorthin, wo es wehtut. Sie legen den Finger in die Wunde, die die Integrationsdebatte in den letzten Jahren gerissen hat.

Jeder kriegt sein Teil ab

Das Publikum honorierte diese Ehrlichkeit mit Begeisterung und großem Applaus. Bestand es doch selbst aus einer bunten Mischung – der Migrationshintergrund vieler Zuschauer war unverkennbar. »Woher kommt ihr?«, fragte Khalid Bounouar sich daher auch folgerichtig durch die Reihen. Um dann festzustellen: »Mit meinem Namen komm ich nirgendwo rein. Nicht mal ins Bürgerbüro!«

Mal werden die überkorrekten Deutschen auf die Schippe genommen, mal kriegen die eigenen Leute ihren Teil ab. »Haben wir Russen hier? Schon betrunken? Ich kann den Wodka bis nach vorne riechen. Und Albaner? Die Messer bitte zuhause lassen!« Meistens frech, oft obszön, aber immer äußerst witzig und unterhaltsam.

Gegründet wurde Rebell-Comedy 2007 in Aachen von Babak Ghassim und Ususmango (bürgerlich: Usama Elyas). Beide fanden sich in der hiesigen Comedy-Szene nicht wieder. Seit ihrer Gründung ist viel passiert. Mittlerweile tourt die Gruppe durch die ganze Republik. Dabei grenzen sie sich vom »Deutschsein« ab, um sich dann selber »ganz schön deutsch« zu finden.

Sehnsucht nach Schwabenstau

Und sie werfen mit all den Vorurteilen um sich, mit denen sie sich selbst konfrontiert sehen. So sehnt sich Pu (Puyan Yavari), ein deutscher Iraner, von Zeit zu Zeit nach »Stau und Spätzle« und stattet daher dem Schwabenland gerne mal einen Besuch ab – schließlich gibt es »nirgendwo so tollen Stau«. Angesprochen auf das Leben im Iran muss er bekennen: »Ich war öfter in Erfurt, als im Iran.«

Rebell-Comedy-Mitgründer Ususmango fragt sich bei seinen Bühnenbeiträgen ein ums andere Mal: »Ist das zu asozial oder geht das noch? Man muss die ganze Zeit aufpassen.« Er kommt aber zu dem fast schon philosophischen Ergebnis: »Ich bin der Meinung: Sag’ einfach, was du willst, dann weiß ich wenigstens, was du denkst.«

Hany Siam, Araber, dunkelhäutig mit blond gefärbten Haaren und Muslim, hat seine ganz eigene Methode entwickelt, Vorurteilen entgegenzuwirken: »Ich baue einfach ganz viel Scheiße in der Öffentlichkeit und spreche dann in einer anderen Sprache, Englisch zum Beispiel.«

Ein atemberaubendes Tempo zeigt Salim Samatou auf der Bühne. Bereits mehrfach ausgezeichnet – unter anderem gewann er 2016 den RTL Comedy Grand Prix – ist er ein wahres Improvisationsgenie. Mit seiner leichten, lockeren und unbekümmerten Art schaffte er es, dem Publikum ein permanentes Lachen ins Gesicht zu zaubern.

Für einen ernsten Moment sorgte die Präsentation des anrührenden Gedichtes »Hinter uns mein Land«: eine Fluchtgeschichte, verpackt in Poetry Slam. Während Ususmango sich der Flucht aus Syrien im Jahr 2015 annahm, stellte Babak Ghassim dem immer wieder im Wechsel einen Text eines deutsch-jüdischen Flüchtlings von 1938 gegenüber – berührend und eindrucksvoll. (GEA)