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Inklusiver »Step« beim Monospektakel des Reutlinger Theaters Die Tonne

Sieben Produktionen sind vom 25. Januar an beim Festival Monospektakel des Reutlinger Theaters Die Tonne zu sehen, darunter ein inklusiver »Step«, der zum Festival Kultur vom Rande im Mai hinführt.

Christian Hempel spielt zum Festivalstart am 25. Januar im Theater Die Tonne »Chinchilla Spin-off, waswas«.
Christian Hempel spielt zum Festivalstart am 25. Januar im Theater Die Tonne »Chinchilla Spin-off, waswas«. Foto: Helge Krückeberg
Christian Hempel spielt zum Festivalstart am 25. Januar im Theater Die Tonne »Chinchilla Spin-off, waswas«.
Foto: Helge Krückeberg

REUTLINGEN. Inhaltliche und ästhetische Vielfalt wird im Reutlinger Theater Die Tonne großgeschrieben. Das zeigt sich bei Eigenproduktionen, aber auch in Gastspielen wie beim vom 25. Januar bis zum 2. Februar dauernden Festival Monospektakel. Unter den sieben eingeladenen Stücken aus Berlin, Plauen-Zwickau, Baden-Baden, Heilbronn, Rottenburg und Gießen - allesamt Monologe - ist mit »Wild Beauties« ein Stück ohne Worte und mit »Chinchilla Spin-off, waswas« ein Stück, das das Leben mit Tourette aus der Sicht eines Betroffenen, der selbst auf der Bühne stehen wird, beleuchtet. Das eine Stück stammt vom Theater am Torbogen in Rottenburg, das andere von der Theatergruppe Rimini Protokoll in Kooperation mit dem Theater TD in Berlin.

Zum 14. Mal findet das Reutlinger Solo-Festival statt, bei dem eine eigens dafür besetzte Publikumsjury den Festivalpreis vergibt. 2024 ging dieser Preis an die Stückentwicklung »Karl« mit Miguel Jachmann vom Theater Konstanz. Susanne Frieling, die das Stück inszenierte, ist diesmal als Regisseurin eines Beitrags des Theaters Baden-Baden dabei: »Prima Facie« von Suzie Miller. Millers Monolog, 2019 in Sydney uraufgeführt, erhielt bei seiner Broadway-Aufführung den »Olivier Award 2023« für das beste neue Stück. Es geht um eine Rechtsanwältin, der es nicht schwerfällt, wegen sexueller Angriffe Angeklagte erfolgreich zu verteidigen. Bis sie selbst Opfer eines Übergriffs wird. Die Schauspielerin Christina Thiessen verkörpert die Anwältin.

»Step« auch im Tanztheater

Mit »Chinchilla Spin-off, waswas« startet das Monospektakel am 25. Januar. Das Gastspiel ist zugleich einer der »Steps«, die zum Reutlinger Festival Kultur vom Rande (17. bis 25. Mai) hinführen. Ein weiterer ist am 8. und 9. Februar »Goodbye Stracciatella« mit der Berner Compagnie BewegGrund & Tabea Martin im Rahmen des »Internationalen Tanztheaters XXV« an der Tonne.

Christian Hempel (auf der Bühne unterstützt von Stefan Schliephake) geht in »Chinchilla Spin-off, waswas« (Regie: Helgard Haug) unter anderem der Frage nach, was ein Leben mit Tourette an Konflikten mit sich bringt. Thema ist auch, wie viel Absichtslosigkeit das Theater, das auf die Wiederholbarkeit von Einstudiertem setzt, aushält. Denn die Schimpftiraden und motorischen Ausbrüche, die ein Mensch hat, der mit Tourette lebt, sind nicht steuerbar, sondern Reaktion auf die Welt, in der er sich bewegt.

Perspektiven des Alterns

Von Ingrid Lausund ist derzeit am Theater Die Tonne »Der Tatortreiniger« zu sehen. Das Theater Plauen-Zwickau im Verbund mit »Brot und Spieler« bringt von ihr zwei Monologe (»Sammeltassen«, »Grundstück«) nach Reutlingen, die zwei Perspektiven des Alterns ausleuchten. Die eines Professors, der sein Leben lang sehr analytisch gedacht hat. »Seine Aufgabe war es, Dinge einzuordnen«, sagt die Tonne-Dramaturgin und Betreuerin des Monospektakels, Alice Feucht. »Jetzt, da er an Demenz erkrankt ist, kommt ihm genau diese zentrale Eigenschaft abhanden.« Der zweite Theatertext an diesem Abend - auf der Bühne steht Rüdiger Hellmann, die Regie hat Marjam Azemoun - ist ein radikaler Blick auf Alternativen im Leben.

»Lie With Me«, eine Koproduktion von Glossy Pain und TD Berlin, fragt danach, wie man weich und zärtlich miteinander sein kann, wenn die Welt um einen herum permanent Härte fordert. Es spielt Riah Knight (auch Musik und Songwriting), die zusammen mit Katharina Stoll (Regie) und Angelika Schmidt den Text geschrieben hat.

Das Leben Camille Claudels

Schlaglichtartig beleuchten Regina Speiseder (Schauspiel) und Katrin Aissen (Regie) in der Produktion des Theaters Heilbronn »Freiheit ist ein anderer Ort« das Leben der französischen Bildhauerin Camille Claudel (1864 -1943). In »Wild Beauties - Artenwandel unter der Paillettensonne« vom Rottenburger Theater am Torbogen entfesselt Anne-Kathrin Klatt einen Tanz mit immer neuen Wesen im Zirkel von Werden und Vergehen. Für Regie und Musik zeichnet Michael Miensopust verantwortlich.

Festivalinfo

Das Programm des Festivals Monospektakel im Reutlinger Theater Die Tonne umfasst sieben Stücke: »Chinchilla Spin-off, waswas« am 25. Januar (20 Uhr, Tonne 1); »Sammeltassen« / »Grundstück« am 26. Januar (18 Uhr, Tonne 2); »Prima Facie« am 29. Januar (20 Uhr, Tonnekeller); »Freiheit ist ein anderer Ort« am 30. Januar (20 Uhr, Tonne 2); »Wild Beauties« am 31. Januar (20 Uhr, Tonnekeller); »Wonderland Ave.« am 1. Februar (20 Uhr, Tonne 2); »Lie With Me« am 2. Februar (18 Uhr, Tonne 2). (GEA)

Der durch die Produktion »The Black Rider« in Reutlingen bekannte Schauspieler Magnus Pflüger ist in Sibylle Bergs Stück »Wonderland Ave.« zu sehen. Er stellt sich darin der Herausforderung, als Mensch, der von einer Künstlichen Intelligenz (KI) auf einen Wettbewerb um den »perfekten Zustand« vorbereitet wird, in einen Dialog mit sich selbst zu treten. Die Stimmen der KI hat er vorher aufgenommen und ruft sie selbst auf der Bühne ab, wie Pflüger im Pressegespräch verriet. Die Inszenierung von Kirsten Eschner ist am Stadttheater Gießen entstanden. Wenn man sich mit der Forschung im Bereich Künstliche Intelligenz auseinandersetze, zeige sich, »dass die KI immer wieder die gleichen - wenn man so will - Vorurteile reproduziert, die wir Menschen schon haben, und eigentlich nur ein Abbild dessen ist, wie wir Menschen selber an Dinge herangehen«, so Pflüger. »Sie fängt quasi die gleichen Diskriminierungen an, wie wir sie in der Gesellschaft haben, einfach, weil das so systemisch ist, dass sie das, wenn wir sie mit unseren Materialien trainieren, sofort alles übernimmt.« Das passiere in Sibylle Bergs Stück zu einem gewissen Grad auch. (GEA)