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In Ruhe bewegt

Als 18. Grieshaber-Stipendiatin stellt Çigdem Aky bis Oktober in den Reutlinger Wandel-Hallen aus

Çigdem Aky in ihrer Ausstellung in den Wandel-Hallen.  FOTO: BERNKLAU
Çigdem Aky in ihrer Ausstellung in den Wandel-Hallen. FOTO: BERNKLAU
Çigdem Aky in ihrer Ausstellung in den Wandel-Hallen. FOTO: BERNKLAU

REUTLINGEN. Es sind völlig abstrakte Bilder, und doch haben sie poetisch konkrete Titel – und manchmal auch eine Ahnung von Stoff oder von Landschaft. »Im Schatten der Bäume« heißt die Ausstellung von Çigdem Aky, die am Freitagabend im Untergeschoss der Reutlinger Wandel-Hallen eröffnet wurde. Die 1989 geborene Münchnerin hat für sich ein Formprinzip gefunden und eine Technik entwickelt, die immer gleich zu sein scheinen, aber dem Auge des Betrachters doch unerschöpfliche Vielfalt und Tiefe bieten.

Das Stipendium ist längst hochbegehrt und bietet: etwas Geld, eine Wohnung und ein Atelier als Artist in Residence, sowie schließlich eine Ausstellung samt Katalog. Çigdem Aky hat ihr Studium in München begonnen und als Meisterschülerin bei Helmut Dorner, seinerseits ein Schüler von Gerhard Richter, an der Staatlichen Akademie der Künste in Karlsruhe abgeschlossen.

Gegenüber einem kleinen Atelier daheim bot ihr Reutlingen Raum, auch Großformate zu schaffen. Zehn Monate lang habe sie »nur gearbeitet«, sagt Kurator Johannes Krause-Schenk. Das Ergebnis, 36 Werke in kleinem, mittlerem und großem Maß – ungefähr Menschenmaß oder die Höhe ihrer eigenen Gestalt – ist faszinierend, ja überwältigend, nicht nur der Kraft der Farben und der Klarheit der Form wegen.

Çigdem Akys akribische Arbeitsweise, dieses sehr bewusst und exakt Kalkulierte, lässt doch die Freiheit für Spontanes, für die Geste, die Bewegung. Ihre Bilder bestehen stets aus zwei Elementen: der fast gefüllten Fläche auf weißer, kreidiger Gesso-Grundierung und einem mittigen schmalen Rechteck, das in penibel abgezirkelter Proportion wie ein Fenster mit einem zarten weißen Rand abgesetzt ist.

Träumerische Titel

Das ergibt Raumtiefe – mal in die umgebende Fläche hinein, mal erhaben aus ihr heraus, mal als in subtilen Verläufen (sogar mit Komplementärfarben), wie man sie von Richter oder Rothko kennt, mal in klaren Grenzlinien, die zuweilen sogar äußere Silhouetten fortführen, die durchaus als stilisierte Landschafts-Horizonte vielleicht gar der Schwäbischen Alb, Mörikes »Blauer Mauer«, gedeutet werden dürfen.

Sie arbeitet mit Acrylfarbe und einer Ölfarben-Emulsion, deren Pastosität und Trocknungszeit für den Malprozess wichtig ist. Çigdem Akys Bilder entstehen in Schichten, »Nass in Nass«, die fast einer Lasur gleichkommen und im Ergebnis eine durchaus reliefartig pastose Oberfläche aufweisen können. Als wiederkehrendes Element bestimmen die rahmende Fläche mal mit dem breiten Pinsel, vielle

AUSSTELLUNGSINFO

Die Ausstellung »Im Schatten der Bäume« mit Arbeiten der 18. HAP-Grieshaber-Stipendiatin Çigdem Aky ist bis zum 23. Oktober in der Galerie des Kunstmuseums Reutlingen in den Wandel-Hallen (Untergeschoss ), Eberhardstraße 14, zu sehen. Geöffnet ist Mittwoch, Samstag, Sonntag und am Feiertag von 11 bis 18 Uhr, Donnerstag und Freitag von 14 bis 20 Uhr. Begleitend zur Ausstellung erscheint ein Katalog. (GEA) www.kunstmuseum-reutlingen.de

icht einem Quast, auch mal mit dem Spachtel in Bewegung gebrachte Spuren, die in ihrem Format nur wie Bremsspuren wirken, in Wahrheit aber eher eine Beschleunigung bis zum Abheben sind.

Dafür kann das Bild auf der Staffelei stehen oder aber auf dem Boden liegen, wovon im zweiten Fall die Spritzer zeugen, denen – wie beim Action Painting Pollocks – die Schwerkraft nichts mehr anhaben kann. Ganz selten finden sich bei Çigdem Aky auch Fließnasen – auch diese an aufrecht stehender Leinwand mit der Flüssigkeit der Farbe kalkuliert. Bei aller Ruhe, ja Strenge des Aufbaus bringt das eine ungeheure Dynamik in diese Bilder.

Nicht nur träumerische Titel wie »Flüstern des Windes« hat Çigdem Aky ihren Arbeiten gegeben, sondern etwa auch »Grill Saison«, ein Kleinformat mit vorherrschend fleischigen Rottönen. Das gehört auch zu den Gegensätzen, die sie in ihrem Werk so überzeugend zusammenbringt. (GEA)