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In Balingen trifft der Kinofilm zu Bob Dylan auf seine Malerei

Balingen lässt das Songwriter-Genie Bob Dylan doppelt hochleben: Erst feierte der Kinofilm über seine Anfänge Premiere, dann eröffnete eine Ausstellung mit seiner Malerei. Hier wie dort zeigt sich Dylan so faszinierend wie rätselhaft.

Edward Norton (links) als Pete Seeger und Timothée Chalamet als Bob Dylan in einer Szene des Films »Like a Complete Unknown«.
Edward Norton (links) als Pete Seeger und Timothée Chalamet als Bob Dylan in einer Szene des Films »Like a Complete Unknown«. Foto: Macall Polay/Searchlight Pictures/dpa/dpa
Edward Norton (links) als Pete Seeger und Timothée Chalamet als Bob Dylan in einer Szene des Films »Like a Complete Unknown«.
Foto: Macall Polay/Searchlight Pictures/dpa/dpa

BALINGEN. Da ist Walter Meinlschmidt ein Coup gelungen: Pünktlich zum Bundesstart des Oscar-nominierten Kinofilms »Like a Complete Unknown« über die Anfänge Bob Dylans holt der Galerist das malerische Werk des Songwriter-Genies nach Balingen. Denn ja, Dylan hat immer auch gezeichnet, was im Kinofilm kurz aufleuchtet. Seit 2007 sind Dylans Bilder in großen Ausstellungen zu sehen – seit Donnerstag in der Galerie Meinlschmidt.

Ausstellungsinfo

Die Ausstellung mit Bildern von Bob Dylan ist in der Kunsthalle Balingen by Galerie Meinlschmidt, Hauptwasen 6 in Balingen, bis 3. Mai zu sehen, Montag bis Freitag 8.30 bis 12.30 und 13.30 bis 17 Uhr. (GEA)
www.galerie-meinlschmidt.de

Für die rund 150 Vernissagengäste hat Meinlschmidt zuvor eine exklusive Vorführung des neuen Kinofilms im Bali-Kinopalast organisiert. Zweieinhalb Stunden taucht man ein in das Leben des jungen Dylan, ehe es hinterher zu seinen Bildern in der »Kunsthalle Balingen by Galerie Meinlschmidt« geht, einem kastenförmigen Bau im Industriegebiet auf der anderen Seite der B27. Zwei Dylan-Welten, die sich gegenseitig bespiegeln.

Anfänge des Song-Genies

Doch zunächst der Film. Regisseur James Mangold schildert die Anfänge von Dylans Karriere von seiner Ankunft mit 20 in New York 1961 bis zum berühmten Eklat fünf Jahre später, als der Jungstar auf dem Newport Folk Festival zur E-Gitarre griff. Mangold erzählt das chronologisch und konventionell, positiv gesagt: ohne Mätzchen. Dabei taucht man atmosphärisch ein in die USA der frühen 1960er mit dem Bürgerrechtskampf der Schwarzen, der Antikriegsbewegung, der Atomkriegsgefahr durch die Kubakrise. Und bekommt ein Gespür dafür, wie Dylans zornig-kühle Zeilen in diese Situation hineinfahren wie ein Skalpell in die Wunde.

Das Unglaubliche ist dabei, wie komplett sich Hauptdarsteller Timothée Chalamet in den jungen Dylan verwandelt. Es wirkt, als habe man diesen geklont. Der näselnde Gesang (Chalamet singt alles selber), der schläfrig-bohrende Blick, die lauernde Arroganz: Man kommt diesem Mysterium durchs Kameraauge auf Zentimeter nahe. Und doch bewahrt Chalamet seiner Figur das Rätselhafte.

Stark gezeichnete Frauenfiguren: Timothée Chalamet mit Monica Barbaro als Joan Baez.
Stark gezeichnete Frauenfiguren: Timothée Chalamet mit Monica Barbaro als Joan Baez. Foto: Searchlight Pictures/dpa/dpa
Stark gezeichnete Frauenfiguren: Timothée Chalamet mit Monica Barbaro als Joan Baez.
Foto: Searchlight Pictures/dpa/dpa

Stark gezeichnet sind – das macht den Film aus – gerade auch die Frauenfiguren. Elle Fanning ist als Dylans Freundin Sylvie Russo (im echten Leben Suze Rotolo) der sensible Gegenpol zum eigenbrötlerischen Egozentriker. Monica Barbaro trifft toll das kraftvolle Selbstbewusstsein von Joan Baez, Dylans zeitweiser Bühnen- wie Bettgefährtin.

Auch die anderen um Dylan herum sind liebevoll gezeichnet. Folk-Größe Pete Seeger, wichtiger Mentor, ist bei Edward Norton warmherziger Gutmensch. Beklemmend Scoot McNairy als von der Nervenkrankheit Corea Huntington gezeichneter Woody Guthrie, Dylans großes Idol. Großartig Boyd Holbrook als raubeinig-versoffene Countrylegende Johnny Cash.

Dylan als Zeichner

Eineinhalb Kilometer entfernt von der Leinwand im Bali-Kino kann man in der Kunsthalle Meinlschmidt nachvollziehen, worauf Dylan seinen schläfrig-bohrenden Blick richtete. Barszenen sieht man da, Straßenszenen, Blicke vom Balkon, einsame Männer auf der Brücke, eine Frau am Tresen, ein Fahrrad am Baum. Und immer wieder Eisenbahnschienen ins Nirgendwo. Schienen, die, glaubt man Thomas Stock, der Dylans malerisches Schaffen in Deutschland vertritt und bei der Vernissage einführte, Dylans Verneigung vor Woody Guthrie sind, der als singender Tramp die USA auf Güterzügen durchquerte.

Galerist Walter Meinlschmidt und Thomas Stock, Experte für Dylans Kunst, vor einem Bild Dylans in der Ausstellung.
Galerist Walter Meinlschmidt und Thomas Stock, Experte für Dylans Kunst, vor einem Bild Dylans in der Ausstellung. Foto: Armin Knauer
Galerist Walter Meinlschmidt und Thomas Stock, Experte für Dylans Kunst, vor einem Bild Dylans in der Ausstellung.
Foto: Armin Knauer

Farbstark ist das alles, von Dylan zeichnerisch prägnant erfasst. Auch hier lässt er sich nicht festnageln: Impressionismus, Expressionismus, Cézanne, Max Beckmann, Pop-Art – alles kann man darin entdecken. Schon früh hat Dylan ein eigenes Plattencover gestaltet, Skizzenbücher gefüllt, beim New Yorker Maler Norman Raeben Zeichenunterricht genommen.

Drucke von kolorierten Skizzen

1994 brachte er unter dem Titel »Drawn Blank« (etwa: »auf leeres Papier gezeichnet«) einen Band mit Skizzen heraus, der kaum Beachtung fand. Bis die damalige Leiterin der Kunstsammlungen Chemnitz, Ingrid Mössinger, ihn in die Finger bekam und 2007 eine große Ausstellung organisierte. Für die Schau fertigte Dylan überraschend große, kolorierte Versionen der Skizzen, oft ganze Reihen von Farbvarianten zu einem Motiv. Diese Bilder wurden in einer Auflage von jeweils 295 Stück als Fine-Art-Prints gedruckt. Ein Ausschnitt aus diesem Korpus bildet nun mit zwei Originalmalereien die Schau in Balingen.

Plakat mit zwei Motiven aus der Ausstellung mit Bildern Bob Dylans in Balingen.
Plakat mit zwei Motiven aus der Ausstellung mit Bildern Bob Dylans in Balingen. Foto: Armin Knauer
Plakat mit zwei Motiven aus der Ausstellung mit Bildern Bob Dylans in Balingen.
Foto: Armin Knauer

Manches wirkt sehr bunt, manches, wie die Boote auf dem See, etwas beliebig. Doch viele Leitmotive von Dylans Leben und Schaffen sind auch hier präsent, dicht und ungeschminkt: Seine Faszination für weibliche Erotik, sein Blick für die Melancholie der Großstadt, die Einsamkeit ihrer Bewohner und die Sehnsucht nach Ferne und Freiheit. Eine Gelegenheit, Bob Dylan noch mal anders zu entdecken. (GEA)