REUTLINGEN. Wer versucht, den Jazz der aus Tübingen-Weilheim stammenden Rebecca Trescher musikalisch einzuordnen, muss scheitern. Die Melodien und Rhythmen, die der Musik zugrunde liegen, sind oft harmonisch und emotional. Sie beinhalten Einflüsse von zeitgenössischem Jazz, von kammermusikalischen und zuweilen auch kraftvollen, selten swingenden Sounds. Aber da ist auch die eigentlich durch den Klezmer bekannte Klarinette von Rebecca Trescher, die introvertiert und melancholisch daherkommt und sich mehr auf Balladen als auf überhitzten Modernjazz konzentriert.
Eine Zusammenstellung, die doch eher ungewöhnlich ist, und eine Musik, die sich ein ganz eigenes Koordinaten- und Bezugssystem geschaffen hat. Zu Beginn des Auftritts des Rebecca Trescher Quartetts im spärlich besuchten Reutlinger Jazzclub in der Mitte breitet sich am Samstagabend eine beinahe tastende, lauschende Stimmung aus – als wolle die Musik selbst erst ihren Atem finden. Die seit Jahren in Nürnberg lebende Trescher windet sich mit ihrer Klarinette drumherum, markiert Ecken, zieht Linien und federt leicht dahin. Während Piano, Kontrabass und Schlagzeug mit energetischen Sounds die Zwischenräume besetzen, bringt Rebecca Trescher mit ihren Klarinettensoli eher Zurücknahme und Konzentration in die Musik.
Hellhöriges, eng verwobenes Zusammenspiel
Nach und nach verdichten sich die Texturen jedoch, die Musik atmet tiefer. Rebecca Trescher bläst nun in Stücken wie »Mäandern«, »Song For The Night« oder »Zaubergarten« eine warm klingende Bassklarinette. Frei, suchend, modern lässt sie die Kompositionen des neuen Albums »Changing Perspectives« als Sprungbrett für ein hellhöriges, eng verwobenes Zusammenspiel mit ihrem Bassisten Lukas Keller, dem Schlagzeuger Jan Brill und dem agilen Pianisten Andreas Feith dienen. Häufig wechselt Trescher den Grundton, doch ihr Spiel bleibt auch in den schnelleren Passagen lyrisch, durchzogen von einer leisen Melancholie, die im Innersten nachhallt.
Das Quartett sucht nicht das sterile Experiment, sondern die lebendige Reibung, das melodische Aufleuchten im Moment. Diesbezüglich zeigt vor allem der Pianist Andreas Feith sein ganzes Können. Über gut anderthalb Stunden entfaltet sich eine Musik von weltläufigem Geist und kammermusikalischer Delikatesse, die immer wieder durch witzige Dissonanzen aufgebrochen wird – etwa, wenn Lukas Keller seinen Kontrabass mit dem Bogen bearbeitet, der Pianist dem Inneren des Klaviers schräge Töne entlockt oder die Band das Stück »Zaubergarten« gemeinsam und stimmungsvoll mit Gesang ausklingen lässt. Das sind kleine Funken, die den Abend lebendig halten.
Längere Zugabe
Am Ende gibt es viel Applaus, eine längere Zugabe und die Zusicherung von Rebecca Trescher, dass sie sich »in der alten Heimat sehr wohlfühlt und immer wieder gerne zurückkehrt«. (GEA)

