REUTLINGEN. Alles fing damit an, dass der Marimba-Spieler Bogdan Bacanu Johann Sebastian Bachs Konzerte für zwei Cembali auch für Marimba spielbar machen wollte und dafür mit drei Kollegen das Wave Quartet gründete. 2008 führte das Ensemble im Berliner Konzerthaus Bachs Konzert in C-Dur (BWV 1061a) in Bearbeitung für vier Marimbas auf. Viele gemeinsame Auftritte folgten.
In der Besetzung Bogdan Bacanu, Christoph Sietzen, Emiko Uchiyama und Nico Gerstmayer war das Wave Quartet am Donnerstagabend in der Reutlinger Stadthalle zu erleben. Feurig und sensibel spielend, inspiriert für vier Marimbas und Orchester geschaffene Tänze eines Konzerts gestaltend. Darin auch den leisen Tönen und der Melancholie Raum gebend, zusammen mit der Württembergischen Philharmonie Reutlingen (WPR) in deren Kaleidoskopkonzert-Reihe.
Komponist Séjourné anwesend
Die Stadthalle ist gut gefüllt, auch der französische Komponist Emmanuel Séjourné (Jahrgang 1961) anwesend, von dem jenes »Gotan Concerto« für vier Marimbas und Orchester stammt, das weltweit schon über 900 Mal live gespielt worden ist und eines der Highlights an diesem Abend ist. Wenn man die Silben in »Gotan« vertauscht, ergibt sich das Wort »Tango«, und dieser Tanz prägt einen Teil des dreisätzigen Konzerts. Romantisch, zart und ruhevoll der Beginn, versonnen das Spiel der Solisten. Im weiteren Verlauf mit prägnanten Rhythmen und Kulminationspunkten angereichert. Nie aber schrill.
Das von WPR-Chefdirigentin Ariane Matiakh geleitete Orchester sorgt für ein Strahlen und Glimmen, zeichnet auch das Kantige des Tangos mit. Zarte Poesie spricht aus dem zweiten Satz, einem traurigen Walzer, einer Elegie, in der sich Nostalgie und Melancholie begegnen. Das hat etwas von romantischer Filmmusik, ist gerade auch vom Solisten-Quartett betörend behutsam gespielt. Während dann im dritten Satz arabische Rhythmen für Schwung und explodierende Lebensfreude sorgen. Die Bechertrommeln Djembé und Darbuka leiten diesen mit »Sahara« betitelten Satz ein. Für sie treten die Marimbas für einen Moment zurück. Das Orchester schafft Ruhe-Oasen, sorgt auch hier vereinzelt für Melancholie-Schübe. Am Ende feiert das Publikum, das Zwischenapplaus gespendet hat, die Interpreten und den zu ihnen auf die Bühne gekommenen Komponisten Séjourné, voller Begeisterung.
Gut gewürzt
Die Zugaben an diesem Abend sind vielfältig und folgen auf ein Werk von Avner Dorman (Jahrgang 1975) mit dem Titel »Spices«. Was auf Deutsch »Gewürze« heißt, ist packend serviert. So, dass man sich in Aromen verlieren kann, das Süße, Saure, Salzige und Bittere erfahrbar wird.
Das Orchester und seine bei späteren Stücken des Abends temperamentvoll Pfeffer ins Spiel bringende Dirigentin haben mit Isaac Albéniz' Tango aus der Suite »España« op. 165 bereits zu Konzertbeginn eine Marke gesetzt. Das wunderbare Stück »Danzón No. 2« von Arturo Márquez mit seinen nostalgischen Melodien und wilden Rhythmen kommt lebensprall daher. Das gilt auch für das Orchesterstück »Huapango«, eine reizvolle Komposition, in der der Mexikaner José Pablo Moncayo volkstümliche Melodien aus der Region Veracruz verarbeitet. Wieder einmal unterstreicht die Württembergische Philharmonie, dass sie über die Summe von Einzelleistungen im Orchester hinaus im Zusammenspiel kraftvoll und bewegend gestalten kann. (GEA)