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Aktuell Orgelsommer

Im Bann der Glocke

Familienkonzert mit Torsten Wille

Ein besonderes Instrument: Torsten Wille an der Orgel der Marienkirche.  FOTO: VARADY
Die Orgel der Marienkirche. FOTO: VARADY
Die Orgel der Marienkirche. FOTO: VARADY

REUTLINGEN. Klänge, die verzaubern, anlocken und fesseln können, hierüber berichtet das sehr poetische Märchen Hans Christian Andersens »Die Glocke«. Schön, dass Sabine Großhennig als Erzählerin und Kantor Torsten Wille als Musiker sich im Familienkonzert des Orgelsommers darauf eingelassen haben. Auch wenn nur wenige Zuhörer in der Marienkirche anwesend waren, war es ein lauschiger Genuss, der gewinnenden Stimme Großhennigs durch das Märchen zu folgen. Man schritt zwischen seltenen Blumen, Apfelbäumen, deren Äpfel an Seifenblasen gemahnten, an Wiesen vorbei. Bestaunte Waldstrecken mit Seen, auf denen Schwäne glitten. Die Fantasie trug einen durch reizvolle Landschaften, angeregt durch Andersens fruchtbare Sprache, und die immerwährende Glocke ließ einen wie ein Traumwandler ihr folgen.

Doch es wäre kein Orgelsommer, wenn nur die Sprache und deren Vortrag klangvoll wären. Torsten Wille untermalte zwischendurch mit Orgelmusik. Und da sowohl Glocken als auch Orgeln fortwährend die Gotteshäuser beschallen, lag es keineswegs fern, dieses Glocken-Märchen mit der »Königin der Instrumente« zu vervollkommnen.

Eulenflug zum Orgelklang

Das bachsche Präludium zu Beginn war wie eine gewichtige Umarmung. Auch die Eule Hedwig aus der »Harry Potter«-Verfilmung machte ihre Aufwartung in Willes Orgelspiel. Rätselhaft, geheimnisumwittert schwirrte sie im Kirchenraum umher, zumindest vor dem inneren Auge. Die folgende Parodie derselben Melodie in gewitzten Harmonien kennzeichnete die Absurdität der Machtgier.

Auch der 150. Geburtstag Louis Viernes, welcher sich als Leitmotiv durch den Orgelsommer zieht, konnte berücksichtigt werden. Das monumentale Steigern im »Carillon de Westminster« verkörperte den von einer Orgel begleiteten tiefer tönenden Glockenklang, dem der Königssohn folgte. Das wohlbekannte Viertonmotiv wuchs eindrucksvoll empor.

Alle anderen Umrahmungen erwiesen sich als Improvisationen Willes. Ob es das Umspielen von »Der Mond ist aufgegangen« war oder jeweils sich dem Text anschmiegende Motive und Klangfarben, man wurde tiefer in das textliche Erlebnis gezogen. Und was würde besser harmonieren als eine Orgel, jubelnd, prachtvoll, zu den folgenden Worten: »… hielten sich bei den Händen in der großen Kirche der Natur ... umschwebt vom Tanze der seligen Geister zu einem jubelnden Hallelujah«. Die Glocke klingt nicht nur magisch für den Königssohn, nein, auch als Marienkirchen-Zuhörer konnte man vom Klang ergriffen werden. (GEA)