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Hut ab für den Mann mit dem großen Hut: Liedermacher Dekker im Reutlinger franz.K

»Songs and Stories« bietet der US-Liedermacher Dekker beim »Indi(e)stinction-Festival« im Reutlinger franz.K vor ausverkauftem Haus überzeugend und unverkrampft.

Singer-Songwriter Dekker im Reutlinger franz.K beim Indi(e)stinction-Festival.
Singer-Songwriter Dekker im Reutlinger franz.K beim Indi(e)stinction-Festival. Foto: Claudia Reicherter
Singer-Songwriter Dekker im Reutlinger franz.K beim Indi(e)stinction-Festival.
Foto: Claudia Reicherter

REUTLINGEN. Die Stimme ist hell, das Gesicht dunkel. Das Irre-hoch-singen fährt er nach den ersten Liedern zurück, den Hut lässt er auf. Beides ist zum Markenzeichen geworden, nachdem Brookln Dekker 2019 beschlossen hatte, neben der Band mit seiner Frau Ruth auch solo als »Dekker« aufzutreten. Erst beim Schlussapplaus nach zwei Stunden im Reutlinger franz.K, ganz kurz, hebt der amerikanische Liedermacher am Donnerstagabend den breitkrempigen Strohhut. Dann fährt aber gleich eine Hand vors Gesicht, Deckel wieder drauf, Schatten über Augen und Nase. Er will sich nicht zeigen. Das muss man akzeptieren.

Dabei zeigt er sich doch. In seinen Songs und Geschichten. In dem kehlig erdigen Lachen, das ihm immer wieder entfährt. Grade, wenn etwas nicht so klappt, er den Text vergisst. »Das ist peinlich«, gesteht er dann schlicht. Keine Pose, das wirkt echt. Dafür lieben ihn die Fans. Wahrscheinlich mehr noch als für die feenhafte Stimme und die Scheu.

Kniff beim Videodreh

Im Laufe seines Auftritts beim Indi(e)stinction-Festival erzählt Dekker »the story behind the hat«: Nachdem er erstmals eine klarere Vorstellung davon hatte, wie dieses Projekt klingen könnte, und er sich so frei fühlte, auch öffentlich ganz hoch zu singen, wollte der Indie-Folk-Songwriter zu seinem zweiten Song ein Video drehen. Da er blank und grade bei seiner Mum in Georgia zu Besuch war, griff seine Frau zur Kamera. »Alles war toll«, erzählt er. »Bis auf den Typen im Video.« Da hatte Ruth die Idee: »Cover your face« - et voilà!

Nun hat der Mann aus Missouri, der seit 2008 mit Familie in England lebt, etwas gemeinsam mit Melania Trump. Mehr aber zum Glück mit Pharrell Williams: Das Händchen für Hits, vom frühen »Tethered, Wrapped Around« über »Let's Pretend« und »Maybe October« zur kürzlich erschienenen Single »The Dove« und noch Unveröffentlichtem wie »Familiar Beat«.

Analoge Rhythmusmaschine

Mit seinen zurückhaltend instrumentierten Song-Perlen - einzige Begleitung ist eine analoge Rhythmusmaschine - beschert er dem franz.K mit 390 Gästen ein ausverkauftes Haus. »Wir sind glücklich«, sagt Programmchef Frederik Hrusa dazu. Das gilt auch für die Fans. Drei Frauen stehen gar auf und tanzen am Rand. Dafür muss der Mann im khakifarbenen Baumwollhemd gar nicht viel machen. Die Bewegungen sind so überschaubar wie die Ausstattung auf der meist in blaues Licht getauchten Bühne. Hier ein Schulterzucken, da ein Kopfnicken. Zwei strumpfsockige Schritte zurück, dann wieder zum Mikro vor. Die Finger zupfen die Saiten der elektrischen Gretsch und zweier Akustik-Gitarren, schlagen sie auch mal. Aber Akkorde entlockt er eher dem E-Piano, an dem er etwa zur Halbzeit Platz nimmt.

Erst am Merchandise-Stand nach dem Konzert im franz.K legt Brookln Dekker den Hut ab.
Erst am Merchandise-Stand nach dem Konzert im franz.K legt Brookln Dekker den Hut ab. Foto: Claudia Reicherter
Erst am Merchandise-Stand nach dem Konzert im franz.K legt Brookln Dekker den Hut ab.
Foto: Claudia Reicherter

Dass er auch Klavier spielt, ist seiner Tochter zu verdanken. Der Deal lautete, »wenn du übst, spiel' ich Piano auf dieser Tour«. Die damals Siebenjährige schrieb mit ihm auch den Titel-Song des jüngsten Albums: »Future Ghosts«. Noch so eine Geschichte. »Klappt mit jedem Publikum. Ist aber auch wahr«, sagt er. Und kehrt zurück zum minimalistischen Sound-Grummeln mit Gesang zwischen Björk, Gaye und Dylan.

»Songs and Stories« heißt die Tour. Beides bietet Dekker, unnachahmlich und überzeugend, unter der breiten Hutkrempe hervor. »Ich hab das heute gebraucht«, sagt er am Ende. Und dankt dem Publikum: »We did a cool thing here.« Welch Understatement. (GEA)