REUTLINGEN. Sie sind schon mit Programmen wie »Mozart zum Kugeln«, »Brahms' Tierleben« und »Walzer von der Vogelweide« aufgetreten. Am Donnerstagabend, dem Schmotzigen Donnerstag, haben sie das Faschingskonzert der Württembergischen Philharmonie in der Reutlinger Stadthalle bereichert: die mit dem Titel Bayerische Kammersängerin geadelte amerikanische Sopranistin Jennifer O’Loughlin, der Dirigent und Arrangeur Andreas Kowalewitz und der Hornist und inzwischen in den künstlerischen Unruhestand gewechselte Conférencier Klaus Wallendorf, die diesmal mit »Allegro con fetti« das Publikum begeisterten.
Im Saal und auf der Bühne war die fünfte Jahreszeit nicht nur an so manchem Kostüm - vom Tennisspieler über den Sträfling bis hin zum Raben und Pandabären - abzulesen. Auch was Klaus Wallendorf reimte und das Orchester spielte, war unkonventionell bis närrisch. Da lugten etwa hinter einem von Brahms' Ungarischen Tänzen unvermittelt der rosarote Panther, Beethovens »Freude, schöne Götterfunken« oder »Horch, was kommt von draußen rein?« hervor. Beim »Narren-Galopp« von Joseph Gungl, einem fröhlichen und schnellen Tanzstück, hörte man das Orchester immer wieder rhythmisch lachen. Wohingegen das Publikum aufgefordert war, kurz vor dem Schlussakkord ein herzhaftes »Bäh!« in den Saal zu rufen, und dies auch stimmgewaltig tat. Diese nonchalant-turbulenten Klänge hätten wunderbar zu einer Szene aus Loriots Film »Ödipussi« gepasst.
Klingende Wanderhilfe
»Berliner Luft«, das von Paul Lincke zu einem Text von Heinrich Bolten-Baeckers im Marschrhythmus geschriebene Operetten-Lied, war in Stilvariationen zu erleben. Diese »klingende Wanderhilfe« (so Wallendorf) paarte sich in einer Ausführung mit Flöte und Schlagzeug und dann dem ganzen Orchester apart mit Ravels »Boléro«, verwob sich mit Strawinsky, »Für Elise« und der Arie des Sarastro, ging eine Klang-Liaison mit dem »Radetzky-Marsch« ein.
Joseph Hellmesbergers »Danse Diabolique«, ein kontrastreich-grelles Werk mit einem kurzen energischen Walzer als Höhepunkt, sorgte in packender Darbietung für eine diabolische Atmosphäre. Ein Medley aus Melodien des Meisters des Symphonic Jazz George Gershwin bündelte auf reizvolle Weise Beschwingt-Heiteres und Sehnsuchtsvolles. Ein Musikquiz erwies sich als überaus vertrackt. Bei weitem nicht immer hatten die drei Freiwilligen aus dem Publikum, die dafür auf die Bühne geholt wurden, die richtige Antwort parat. Da wurde beispielsweise von bekannter Musik nur die Begleitung gespielt. Oder es erklangen nur der Schlussakkord beziehungsweise ein paar Töne davor - und die Freiwilligen mussten raten, um welche Werke es sich handelte. Schlussendlich wurde sogar rückwärts gespielt. Die Blechbläser waren dabei gefordert - und lieferten die Klänge anschließend auch in der richtigen Abfolge nach.
Große Gefühle
Der »Champagner-Galopp« des dänischen Komponisten Hans Christian Lumbye, eines Bewunderers der Wiener Orchestermusik von Johann Strauss und Zeitgenossen, geriet rund, süffig, mit fruchtigen Noten, weich im Abgang. Für besonderen Glanz sorgte Jennifer O’Loughlin, die die Arie der Violetta »Sempre libera« aus Giuseppe Verdis Oper »La Traviata« sang. Ihr zur Differenzierung fähiger, große Gefühle transportierender dramatischer Koloratursopran machte die Darbietung zum Genuss. Makellos die Spitzentöne, geschmeidig die Koloraturen. Im Mittelteil durfte - gekonnt - auch mal die Tuba in tiefer Lage solistisch die Melodie intonieren. Ein toller Effekt.
Biss in den Apfel
Mit »Some Day My Prince Will Come« aus dem Walt-Disney-Zeichentrickfilm »Schneewittchen und die sieben Zwerge« blieb es romantisch. Am Ende ihrer Darbietung biss Jennifer O’Loughlin in einen Apfel. Zuvor hatte sie bereits aus der Arie »Glitter And Be Gay« aus Leonard Bersteins »Candide« ein schillerndes Kabinettstückchen gemacht. Das Publikum war hin und jeck. (GEA)