REUTLINGEN. Die Reihe »Taste und Ton« startete am Sonntagabend in der Peter- und Paulskirche in ihre 21. Saison. Dieses Jahr widmet sich die Reihe der jüdischen Malerin Alice Haarburger. 1891 in Reutlingen geboren, zog sie mit ihrer Familie nach Stuttgart, wo sie die Private Malschule für Frauen besuchte. Zudem studierte sie an den Akademien in Stuttgart und in München. 1942 wurde sie von den Nationalsozialisten nach Riga deportiert und dort ermordet. Im Konzert stellte die Tübinger Künstlerin Beatrix Giebel Haarburgers Gemälde »Rollendes Spielzeug« von 1935 vor, das auch im Programmheft abgedruckt war. Für den musikalischen Teil hatte man den Mainzer Organisten Lutz Brenner gewonnen.
Weihnachtliche Klänge
Dieser improvisierte zunächst über das Weihnachtslied »Vom Himmel hoch da komm ich her«. Die erste Strophe spielte er mit zurückhaltender Begleitung. Die folgenden Strophen gestaltete er kontrastierend: Eine Strophe war lauter registriert, die Melodie aber noch gut zu erkennen; in einer anderen war die Melodie versteckter, dafür von leichten Flötenklängen umrahmt.

Es folgten zwei Stücke aus Camille Saint-Saëns’ »Karneval der Tiere«: »Der Schwan« und »Das Aquarium«. Die Grazilität des Schwans vermittelte Brenner mit einer feinsinnig-eleganten Spielweise, während die magischen Klänge des Aquariums die Hörer in eine surreal anmutende Welt entführten. Mit dem »Boléro de concert« von Louis Lefébure-Wély stand ein weiteres Werk eines französischen Komponisten auf dem Programm. Düster beginnend steigert es sich zu heiter-unbeschwerten, fast tänzerischen Klängen, ehe es zur Melancholie zurückkehrt.
Improvisation über ein Bild
Nach Giebels Erläuterungen zu Haarburgers Bild nahm Brenner frei improvisierend Anregungen aus der Bildbeschreibung auf, übertrug sie mit einer Vielzahl an Klangfarben und Melodien in die Musik. Anschließend konnte sich das Publikum über Claude Balbastres weihnachtliche Fanfare »Votre bonté Grand Dieu« freuen. Diese glänzt nicht nur mit majestätischen Klängen, sondern auch mit einer Fantasie über das Weihnachtslied »Adeste fideles«. Dabei verwob Brenner die vertraute Melodie mit neuen musikalischen Ideen, die hinter dem Choral hervorschimmerten.
Zuletzt spielte Brenner von Louis Vierne »Carillon de Westminster«. Darin wird variationsreich die Tonfolge der Londoner Westminsterglocken verarbeitet. Das Publikum applaudierte lange, sodass Brenner noch eine kleine weihnachtliche Improvisation spielte. Ein gelungener Auftakt der Reihe. (GEA)