Und? Hat das Kaninchen recht? Jedenfalls ist Beckers Auftritt beides abzulesen: manche Parallele zum Star, aber auch das Bemühen, sich abzugrenzen. Statt im G(r)ammel-T-Shirt tritt er in Anzug und Krawatte auf die Bühne – nach der Pause sogar im Smoking. Statt als sympathischen Chaoten bringt er sich als verkorksten Lehrersohn auf die Bühne: nicht kumpelhaft wie Grammel, sondern klassisch-elegant wie ein junger Peter Frankenfeld. Souverän spielt er mit dem Publikum, smart und selbstironisch. »Ich kann Applaus von Mitleid unterscheiden«, unkt er, als der Beifall einen Tick zu spät einsetzt.
Nicht ganz stubenrein
Bei den Figuren gibt es schon Parallelen. Wie Grammel hat Becker eine Vorliebe für sprechende Lebensmittel. Lässt jener einen doppelten Cheeseburger als Professor dozieren, so spricht bei Becker ein Donut, ein amerikanisches Kringelgebäck, und stellt sich als Therapeut vor. Wie bei Grammel gibt es einen vorlauten Vogel. Und wie dieser liebt auch Becker absurden Wortwitz. So unterhält er sich mit einem sprechenden Ei, das Ei-ke heißt und gerade auf dem Ei-Sprung ist, weil es von Ei-Catchern verfolgt wird, die es in eine Ei-Zelle werfen wollen.Insgesamt ist Beckers Kunst aber näher an Stand-up-Comedy. Während Grammels Dialoge mit seinen Figuren in lockeren Kurven durch die weiten Ebenen des Nonsens mäandern, kommt Becker zackig auf den Pointen-Punkt. »Ich esse nicht, ich gebe Kalorien ein Zuhause«, sagt etwa ein schwules rosa Glitzerpony mit Gewichtsproblem. Der schnelle Zug zur Pointe erhöht die humoristische Schlagzahl, lässt den Figuren aber weniger Raum, sich als Charaktere zu entfalten. Dafür pfeift dem Publikum manch nicht ganz stubenreiner Gag um die Ohren. »Sei still«, tadelt Becker sein Pony, »sonst schreibt die Presse, es war ein zotiges Programm.«
Pöbelndes Kaninchen
Liebenswert und wirklich sehr plastisch gespielt und gesprochen sind die Figuren trotzdem. Herrlich der Hippie Joe, der mit leicht benebelter Stimme Weisheiten von sich gibt wie »Lieber Gras rauchen als Heu schnupfen.« Oder das erwähnte glamouröse Pony, das sich prompt in einen Traugott im Publikum verguckt. Am witzigsten ist aber das garstige Kaninchen Karl, das es so was von satt hat, ständig aus dem Hut gezaubert zu werden. In seinem Zorn pöbelt es alles und jeden an: »Fass mich nicht an, sonst braucht deine Zahnfee eine gute Versicherung!« Mit diesem grandiosen Wutbündel ist Becker wirklich auf Grammel-Niveau angelangt.Im Übrigen zaubert er auch noch recht gewitzt. Und seine Schlussnummer mit einer Raupe, die fast so süß ist wie Grammels Schildkrötendame Josie, mündet in ein anrührend poetisches, mit zarter Musik unterlegtes Schlussbild. Nicht schlecht gemacht, Herr Becker! Auch wenn es ein zotiges Programm war. (GEA)