REUTLINGEN. »Was ist ein Hipster? Das hochdeutsche Wort für Seggl!« Am Sonntag stellte Christoph Sonntag zum Abschluss der 43. Reutlinger Mundartwochen sein aktuelles Programm »Bloß kein Trend verpennt!« in der vollen Stadthalle vor. Dabei nahm der Waiblinger Kabarettist nicht nur die Politik von US-Präsident Trump aufs Korn, er machte sich vor allem über die häufig wechselnden Hypes der heutigen Zeit lustig.
Das fängt ja gut an nach der Pause. Im Stil von André Rieu betritt Sonntag Geige spielend die Bühne und rockt dazu mit seinem Song »I muss gar nix« das Publikum. Aber der schwäbische Kabarettist hat noch einiges mehr auf dem Kasten: Mal düst er mit einem Faltfahrrad über die Bühne, dann gibt er sich der Eurythmie in der Waldorfschule seiner Kinder hin. Oder er stellt ein Gespräch zwischen Winfried Kretschmann und Günther Oettinger in Gestalt von zwei Puppenköpfen nach. Allein Menschen, die nicht wenigstens ein offenes Ohr für den derben Witz des schwäbischen Idioms mitbringen, haben’s in den nächsten zwei Stunden nicht eben leicht.
Anrainer der Dummheit
Das Programm des 55-jährigen Kabarettisten, das SWR3-Hörer zum Teil schon aus dem Radio kennen, ist eine Kollektion aus Geschichten, die sich darum drehen, wie die Welt aktuellen Trends hinterherläuft – ob das nun der neueste Fitness-Hype, der coole Trendsetter aus der Netzwelt oder das neueste E-Bike ist. Dabei macht der ehemalige Landschaftsplaner weder vor dem Publikum halt, noch scheut er sich, Politiker durch den Kakao zu ziehen. Er macht sich laut Gedanken über Donald Trump (»Was grenzt an Dummheit? Mexiko und Kanada.«), Martin Schulz (»Sagt euch der noch was?«) und Andrea Nahles (»Ich weiß nicht, welche Medikamente die weglässt.«). Er erinnert an die Erinnerungslücken von Franz Beckenbauer und Wolfgang Niersbach (»Wenn die zusammen Memory spielen, dauert das drei Wochen, bis das erste Pärle liegt.«) und garniert das Ganze mit einer ordentlichen Portion Ironie.
In seinem rasanten Bühnenprogramm voller Gemeinheiten und Frivolitäten bekommen so ziemlich alle ihr Fett ab. Der langsame »Winnie The Kretschman« ebenso wie Waldorf-Eltern, die »mit Fahrradhelm aus ihrem SUV aussteigen«. Selbst Nichtschwaben im Publikum kommen in den Genuss, »dieses Geberland auch mal von der Nähe zu begutachten«.
Erlebnisse aus seiner Kindheit werden ebenfalls wieder präsent, »als es noch unser einziger Lebensinhalt war, mit den Eltern Streit zu suchen«. Sonntag schaut dem gemeinen Volk aufs Maul und bringt das Aufgeschnappte mit aberwitzigen Logik-Sprüngen auf den Punkt. Auch doppelbödige Sprüche wie »mit Frauen reden ist wie AGBs lesen« dürfen nicht fehlen. Christoph Sonntag bewegt sich zwischen den Genres, zwischen grotesker Schwabenkomik und satirisch überhöhter Gedankenakrobatik, zwischen Kalauer und Schwoba-Pathos.
Mit deutlichem, aber nicht schwerem schwäbischen Akzent rockt er sich durch sein Programm. Und auch wenn noch kein Jugendlicher die Frage bisher gestellt hat, dann hat sie Sonntag wenigstens richtig gut erfunden: »Wie seid ihr denn früher ohne PC ins Internet gekommen?« So, jetzt wär des au g’schwätzt. (GEA)