REUTLINGEN. Die Musiker-Dichte im Publikum war hoch bei der jüngsten »Tafelmusik« im Reutlinger Pappelgarten. Nicht zuletzt Mitglieder der Württembergischen Philharmonie Reutlingen waren da, um ihre ehemalige Orchesterkollegin Krassimira Krasteva zu hören, die mit dem Ensemble Quintessenz zu Gast in der monatlichen Reihe war. Ein Streicherensemble, gegründet von Mitgliedern der Stuttgarter Philharmoniker, das in der Besetzung Duo bis Quintett spielt.
Der warme und dunkle Klang, der sich aus der Instrumentenwahl von drei tiefen Streichern ergibt, prägte das erste Stück des Abends, die »Partie à tre«, die als eines der wenigen erhaltenen Werke von Michael Kirsten gilt, der Anfang des 18. Jahrhunderts als Dirigent und Komponist in Breslau wirkte. Eine echte Entdeckung - und von Akiko Hirataka (Viola), Krassimira Krasteva (Violoncello) und Folkert Weitzel (Kontrabass) mit spielerischer Finesse dargeboten. Nicht zuletzt die Verwendung von Doppelgriffen und Akkorden - auch im Cello - gab dem Stück einen vollen Klang. Passagen gemeinsamen Atmens in getragenem Ernst standen dynamisch abgestufte tänzerische Momente und ein lebhaftes Konzertieren gegenüber. Tiefe des Ausdrucks gesellte sich zu Heiterem, und neben Stilisiert-Höfischem war auch ein musikalischer Sog zu spüren.
Mit Kontrabass statt zweitem Cello
Für die weiteren Stücke des Abends stießen die Geigerinnen Julia Schautz und Frederica Steffens dazu. In Luigi Boccherinis Streichquintett Nr. 3 in c-Moll, op. 37 Nr. 1 ersetzte das Ensemble das eigentlich dafür vorgesehene zweite Cello durch den Kontrabass. Krassimira Krasteva, die beim Konzert moderierte, sagte, dass sie persönlich der zweite Satz an ein Lied von Elvis Presley erinnere. Schön, wie gewitzt und lebendig das Ensemble das Werk in Klang übersetzte. In theaterhaftem Gestus, gefolgt von feinnerviger Introspektion. Mit Sinn für schroffe Kanten und steile Abstürze, harmonische Kühnheiten und formale Brüche. Bei Weitem also nicht nur galante Rokoko-Tändelei.
Von Antonín Dvorák spielte das Ensemble das Quintett in G-Dur, op. 77. Den Kontrabass nutzt der tschechische Komponist darin vor allem, um orchestrale Klangwirkungen zu erzielen und Akzente zu setzen. Das Cello kommt als Melodie-Instrument zum Einsatz. Manches erinnert an Schubert, anderes an Wagner und Liszt. Der erste Satz mutet wie eine sinfonische Dichtung an, entwickelt hymnischen Überschwang. Der zweite, ein Scherzo im musikantischen Volkston, kommt in Teilen recht widerborstig daher. Umso einladender waren in der Darbietung im Pappelgarten das sentimental-sehnsüchtige Thema im Andante und die von flirrenden Klanggründen getragenen Tanzmelodien und träumerischen Episoden im Finale. (GEA)