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Heilbronn zeigt den Bauernkrieg im Spiegel moderner Kunst

Der Bauernkrieg vor 500 Jahren gilt als erste Befreiungsbewegung Mitteleuropas. Dass seine Ideen bis heute nachwirken, zeigt die Kunsthalle Vogelmann in Heilbronn. Sie schlägt den Bogen vom Maler und Bauernkriegsopfer Jerg Ratgeb zur modernen Traktor-Skulptur.

Traktor-Großplastik als Signum des gescheiterten Bauernprotests: »FENDT-END« von Andreas Mayer-Brennenstuhl.
Traktor-Großplastik als Signum des gescheiterten Bauernprotests: »FENDT-END« von Andreas Mayer-Brennenstuhl. Foto: Armin Knauer
Traktor-Großplastik als Signum des gescheiterten Bauernprotests: »FENDT-END« von Andreas Mayer-Brennenstuhl.
Foto: Armin Knauer

HEILBRONN. Eigentlich wollten die Bauern im Südwesten vor 500 Jahren nur, dass die geltenden Regeln gerecht angewendet werden. Und doch trug ihr Protest gegen Adelswillkür etwas viel Grundsätzlicheres in sich. Es ging, unter Berufung auf Martin Luther und die Bibel, um die Anerkennung als Individuen eigener Würde. Weshalb die 1525 in Memmingen formulierten »Zwölf Artikel« als erster Menschenrechtskatalog gelten. Es liegt an dieser Menschenrechts-Stoßrichtung, dass der Bauernkrieg, wiewohl damals blutig niedergeschlagen, bis heute nachwirkt. Die Kunsthalle Vogelmann zeigt das in Heilbronn durch den Nachhall der Bauernrebellion in der modernen Kunst.

Jerg Ratgeb als Ausgangspunkt

Den Ausgangspunkt bildet der Künstler, der selbst im Bauernkrieg mitgekämpft hat und ihm schließlich zum Opfer fiel: Jerg Ratgeb, expressiver Erneuerer der Malerei nördlich der Alpen, wurde nach der Niederschlagung des Aufstands als Landesverräter durch Vierteilen hingerichtet. Sein Barbara-Altar, den er 1509/10 für die Johanneskirche in Schwaigern bei Heilbronn schuf, kreist bereits aufgewühlt um das Thema des geschundenen Menschen: Die diversen Martyrien der heiligen Barbara sind in dem dreiflügeligen Bild zeitgleich in eine karge Felsenlandschaft versetzt.

Erlittene Grausamkeit in vielfältiger Form: Der Barbara-Altar von Jerg Ratgeb in der Ausstellung.
Erlittene Grausamkeit in vielfältiger Form: Der Barbara-Altar von Jerg Ratgeb in der Ausstellung. Foto: Armin Knauer
Erlittene Grausamkeit in vielfältiger Form: Der Barbara-Altar von Jerg Ratgeb in der Ausstellung.
Foto: Armin Knauer

Links und rechts an der Wand greifen Bilder von Zeitgenossen Ratgebs das Thema auf, darunter eine »Dornenkrönung Christi« von Heinrich Vogtherr dem Älteren. Die Demütigung des Wehrlosen steht als Vorwurf im Raum. Ratgeb schloss sich denen an, die sich wehrten – und bezahlte mit dem Leben.

Großplastik eines Traktors

Sein grausamer Tod hallt in den oberen Etagen in der modernen Kunst nach. Am Raumgreifendsten in Andreas Mayer-Brennenstuhls Großplastik »FENDT-END« von 2024/25. Aus Styrodur hat er einen modernen Traktor in Originalgröße geformt, der in der Mitte auseinandergebrochen ist. Der Bauern-Aufstand der 1520er-Jahre spiegelt sich in den Landwirts-Protesten gegen die Streichung des Diesel-Privilegs von 2024. Das Zerrissene des Traktors signalisiert das Scheitern der Empörung damals wie heute – und lässt im Körper der Maschine die Vierteilung des damaligen Protagonisten nachklingen.

Gerade im 20. Jahrhundert griffen viele Künstler die flammende Anklage von Ratgebs Bildern auf. Käthe Kollwitz übertrug sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts in ihre Radierungen zum Bauernkrieg, mischte sie im Zeichen einer düsteren Spätromantik mit Surrealem und Dämonischem. Afred Hrdlicka schließt mit seinen Kohlezeichnungen der 1980er-Jahre direkt an Kollwitz an, lässt aber, teils ironisch karikierend, auch die Figurenzeichnung der Renaissance anklingen.

Radierung zum Bauernkrieg von Lea Grundig aus den 1950er-Jahren.
Radierung zum Bauernkrieg von Lea Grundig aus den 1950er-Jahren. Foto: Armin Knauer
Radierung zum Bauernkrieg von Lea Grundig aus den 1950er-Jahren.
Foto: Armin Knauer

Für die Psychologie der Akteure beider Seiten interessiert sich Lea Grundig in ihren mitreißenden Radierungen aus den 1950er-Jahren. Ganz nah zoomt sie heran an die erregten Gesichter, an die Schmerzensschreie des Aufständischen Jäcklein Rohrbach bei seiner Verbrennung. Auch Gunther Stilling ist mit seinen Zeichnungen und seiner anklagenden Bronze des gevierteilten Jerg Ratgeb in dieser expressiven Tradition.

Ausstellungsinfo

Die Ausstellung »Rebellion des gemeinen Mannes – 500 Jahre Bauernaufstand« ist in der Kunsthalle Vogelmann, Allee 28 in Heilbronn, bis 25. Mai zu sehen, Dienstag bis Sonntag 11 bis 17 Uhr, Donnerstag bis 19 Uhr. (GEA)

Ganz anders HAP Grieshaber, der Aufstand und Fall der Bauern in eine flächig abstrahierende Bildsprache fasst. Bei ihm ist die Bauernrebellion bereits ein Mythos und mischt sich mit den Kriegserfahrungen der Moderne. Noch stärker übersetzt Hannah Cooke die Thematik in ihrer Installation »Spießrutenlauf« von 2024/25. Zwei Reihen stilisierter Lanzenspitzen aus Aluminiumblech hängen sich drohend gegenüber wie Bauern und Adel. Eingeprägt ins Aluminium sind Szenen, die sich auf heutige Krisen beziehen – mit Hasen als Protagonisten, die sich Cooke bei Renaissancekünstlern wie Albrecht Dürer ausgeliehen hat.

Die Hasen rösten die vom Klimawandel geplagte Erdkugel, lassen sich gegenseitig im Hamsterrad rotieren, posaunen Parolen in einer Konferenz von Firmenchefs – humorvolle Bespiegelung von Machtmissbrauch und Empörung heute. Eine spannende Ausstellung, die zeigt, wie die »Rebellion des gemeinen Mannes« noch heute nachhallt. (GEA)