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Hölle und Himmelreich: Gert und Uwe Tobias an der Kunsthalle Tübingen

Gert und Uwe Tobias verwandeln die Kunsthalle Tübingen in ein Pandämonium skurriler Gestalten. Der Weg führt aufwärts ins Himmelreich.

Vor einem eigens für die Ausstellung geschaffenen Wolkenhimmelfries: (von links) Uwe Tobias, Kunsthallenleiterin Nicole Fritz, G
Vor einem eigens für die Ausstellung geschaffenen Wolkenhimmelfries: (von links) Uwe Tobias, Kunsthallenleiterin Nicole Fritz, Gert Tobias. Foto: Armin Knauer
Vor einem eigens für die Ausstellung geschaffenen Wolkenhimmelfries: (von links) Uwe Tobias, Kunsthallenleiterin Nicole Fritz, Gert Tobias.
Foto: Armin Knauer

TÜBINGEN. Willkommen in der Geisterbahn von Gert und Uwe Tobias: Die Zwillingsbrüder aus Köln verwandeln die Kunsthalle Tübingen bis Mai 2025 in eine surreale Märchenwelt. Eine Welt, in der alles mit allem zusammenhängt. Was man erst nicht glauben möchte. Denn zunächst wirkt alles anarchisch verspielt. Seltsame Wesen glotzen von allen Seiten: Vögel, Masken, Menschen, Tiere. Mal direkt auf die Wand gezeichnet, mal mit Holzschablonen auf riesige Leinwände gedruckt. Oder als Keramikplastiken in den Raum gestellt.

Vom Dunkel ins Licht

Doch das Pandämonium hat Struktur. »From Hell to Heaven« heißt die Losung, von der Monstergrube zum Himmelreich. Was topografisch wörtlich zu nehmen ist. Von Raum zu Raum schreitet man höher hinauf. Durchquert finstere Sphären, um im höchsten Saal ins Licht zu treten. Wo der Blick in einen riesigen, friesartig entrollten Wolkenhimmel fällt. Den haben die beiden Kölner Brüder extra für diese Schau bedruckt.

Skurrile Tischgesellschaft: Holzdruck von Gert und Uwe Tobias in der Kunsthalle Tübingen.
Skurrile Tischgesellschaft: Holzdruck von Gert und Uwe Tobias in der Kunsthalle Tübingen. Foto: Alistair Overbruck
Skurrile Tischgesellschaft: Holzdruck von Gert und Uwe Tobias in der Kunsthalle Tübingen.
Foto: Alistair Overbruck

Damit alles noch stärker verwoben ist, haben die Brüder quer durch die Säle ein System von Elementen geknüpft - angefangen bei einer Wächtereule im Foyer. Zudem ist die Sache darauf angelegt, dass man im Hochsteigen zum Himmelreich den Arbeitsprozess der Künstler nachvollzieht.

Ausstellungsinfo

Die Ausstellung »Das Blaue vom Himmel« mit Zeichnungen, Plastiken und Holzdrucken von Gert und Uwe Tobias ist bis 11. Mai 2025 in der Kunsthalle Tübingen, Philosophenweg 76, zu sehen, Dienstag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 19 Uhr. Vernissage ist am Freitag, 8. November, um 19 Uhr. Zur Ausstellung ist ein Katalog im Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König erschienen, der auch die für die Kunsthalle konzipierten Raumgestaltungen umfasst. (GEA)
www.kunsthalle-tuebingen.de

Flüchtige Skizzen sind die Ursuppe, aus der sich die bizarren Geschöpfe der Brüder entwickeln. Gleich im ersten Raum begegnet man solchen Zeichnungen - hochvergrößert direkt auf der Wand. Jeder der beiden entwickelt dabei erst einmal für sich neue Formen, wie sie beim Presserundgang erzählen. Jeder entscheidet selbst, an welchem Punkt er den anderen in diesem Prozess »hereinlassen« will. Was bedeutet, dass ab da auch der andere mit diesen Schöpfungen arbeiten darf. Eine Zusammenarbeit mit festen Regeln. »Das muss so sein, sonst würde es destruktiv«, sagt Gert Tobias. Sein Bruder bringt es auf den Nenner: »Ich bin sein bester Assistent - und er meiner.«

Von der Collage zur großen Leinwand

Dann sind die »Formfindungen« da, mal abstrakt, mal figürlich. Inspiriert mal von der Kunstgeschichte, mal vom Gnomenpersonal der osteuropäischen Sagenwelt - die Tobias-Brüder sind im rumänischen Bra?ov geboren, dem früheren Kronstadt. Als Zwölfjährige kamen sie nach Köln, studierten in Braunschweig, ehe sie in den Nullerjahren schnell Furore machten. New York, München, Hamburg, London, Mailand - alle wollen die Werke der Tobias-Brüder zeigen, diese suggestive Eigenwelt voll plakativer Figuren.

Die Gestalten müssen nun in eine Welt platziert werden - das kann man im nächsten Raum erleben. Kleine Collagen taugen dazu, auf denen die Figuren spielerisch vor immer neue Hintergründe treten. Im nächsten Schritt wachsen diese kleinen Collagen zu Bildern auf üppigen Leinwänden. Wofür die Brüder eine besondere Technik entwickelt haben: Die Formen werden aus Pappelholz gesägt, mit Farbe bestrichen und wie Stempel auf die Leinwand gepresst. Ein Video in der Ausstellung zeigt das.

Uwe und Gert Tobias vor Holzdrucken, die mit Mutter-Kind-Motiven auf Picasso und Miró anspielen.
Uwe und Gert Tobias vor Holzdrucken, die mit Mutter-Kind-Motiven auf Picasso und Miró anspielen. Foto: Armin Knauer
Uwe und Gert Tobias vor Holzdrucken, die mit Mutter-Kind-Motiven auf Picasso und Miró anspielen.
Foto: Armin Knauer

In einer schwarzen Nische gruppiert sich eine Serie mit abstrahierten Mutter-Kind-Motiven. Die Motive lassen an Picasso oder Miró denken, spielen mit dem Madonnenthema östlicher Ikonen - alles im Tobias-Stil. Ob das »Kind« dabei ein Baby ist, ein Huhn oder ein Monsterlamm, bleibt offen. Auf der anderen Raumseite sind es Stillleben, in denen das Figurenarsenal sich zum grellen Maskenkarneval auswächst. Anspielungen auf Hieronymus Bosch, das Heilige Abendmahl und den Gegensatz von Ober- und Unterwelt eingeschlossen.

Schließlich wird auch die Wand zum Motivträger. So ist man die realen wie metaphorischen Treppenstufen hinaufgestiegen, von der Skizze bis zur Gesamtraumgestaltung.

Himmel mit Tücken

Um am Ende erneut vor dem Fries zu stehen, der den Blick in ein lichtes Wolkenkuckucksheim fallen lässt. Genauer: In ein Wolkeneulenheim. Denn da hockt sie und glotzt, die Eule. In einem Himmel, der auf Monet verweist. Während sich in dessen Seerosenteich der Himmel spiegelte, so spiegeln sich in diesem Himmel Monets Seerosen, wie Gert Tobias es formuliert.

Ein Himmel mit Tücken. Die Eule und andere Gestalten darin sind nicht geheuer. Gegenüber fällt der Blick auf einen Vogel im Käfig. Auf dem Boden liegen riesige Keramikfliegen auf dem Rücken. Der Himmel ist ohne seine Gegenwelt nicht denkbar, nicht ohne das Vergängliche, Dämonische, Bizarre. Und der Kosmos der Tobias-Brüder nicht ohne ihren makabren Humor. (GEA)