REUTLINGEN. Die in Reutlingen geborene und gestorbene Künstlerin Gudrun Irene Widmann (1919–2011), der das Kunstmuseum Reutlingen anlässlich ihres 100. Geburtstags vor zwei Jahren eine Retrospektive widmete, ist jetzt auch mit einem Werk im Reutlinger Rathaus vertreten. Oberbürgermeister Thomas Keck und die Leiterin des Kunstmuseums Reutlingen, Ina Dinter, nahmen das Gemälde aus Familienbesitz »Versuch mit Bohnen« aus den Händen des Sohns der Künstlerin, David Gaiser, entgegen. Als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt, hängt das Werk von nun an im kleinen Sitzungssaal – unweit von Werken HAP Grieshabers und Winand Victors.
»Durch die gleichberechtigte Ausstellung neben ihren männlichen Kollegen, die fast zeitgleich gelebt und gewirkt haben, wird ein Umdenken in unserer Gesellschaft sichtbar«, sagte Keck. Widmanns Stillleben stelle nicht nur für das Reutlinger Ratsgebäude, sondern allgemein für die Kunst im öffentlichen Raum eine Bereicherung dar. Die Künstlerin hatte sich in regelmäßigen Abständen um Ankäufe der Stadt bemüht.
Als alleinerziehende Mutter immer wieder auf Hürden gestoßen
Sie sei oft abgewiesen worden und habe mit ihrer Stellung als Frau im Kunstbetrieb, als alleinerziehende Mutter und als Ehefrau eines bekannten Schriftstellers – Gerd Gaiser – immer wieder mit Hürden zu kämpfen gehabt, erklärte Ina Dinter. Widmann zähle gleichwohl zu den wichtigsten regionalen Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. »Wir sind sehr glücklich, dass das Stillleben seinen neuen dauerhaften Platz im Ratsgebäude findet und die Öffentlichkeit zur Betrachtung und zum Nachsinnen einlädt.« Der »Versuch mit Bohnen« zeige nicht nur eine Vorliebe für klassische Sujets, sondern weise auch darüber hinaus.
»Die Grenze zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit verschwimmt und eröffnet eine Art Assoziationsraum, in dem die Objekte ihrer ursprünglichen Funktion enthoben werden und mehr wie Stellvertreter von menschlichen Beziehungsgeflechten auf einer Bühne des Lebens fungieren.« Das Gemälde stamme aus der Zeit, als seine Mutter ihr Atelier in Sondelfingen hatte, sagte David Gaiser. Die Kunst sei für sie Vollberuf und auch Lebensinhalt gewesen. (cbs)