REUTLINGEN. Kunst zieht wieder ein in die GEA-Redaktion. Mit Gudrun Gantzhorn würdigt der GEA am Burgplatz eine der großen Künstlerpersönlichkeiten der Achalmstadt. Gantzhorn, die im Juli 86 wird, zeigt im Foyer und Konferenzraum der Zeitungsredaktion vor allem neuere Arbeiten, darunter auch großformatige Malereien. Landschaften, Stillleben mit Blumen und Früchten sowie Menschen sind ihre Motive, die sie in immer neuen Überarbeitungsschritten vom naturalistischen Abbild zur Abstraktion vorantreibt. Vernissage ist am Mittwoch, 4. Juni, um 19 Uhr in der GEA-Redaktion. Umrahmt wird die Eröffnung von Chansons, vorgetragen durch Sängerin Yvonne Marli Schramm und Pianistin Dorothee Schwiller.
Ausgangspunkt für Gantzhorns Malerei ist oft die Natur. »Bäume habe ich immer geliebt, schon als Kind«, erzählt sie. Aufgewachsen ist sie als Jüngstes von vier Geschwistern in einem Haus am Waldrand in einem Dorf zwischen Celle und Hannover. Ihre Mutter, die mit der Nähmaschine Textilien bestickt und dafür auch die Motive entwirft, ermuntert sie zum Zeichnen. Der Vater, viel geschäftlich unterwegs, beschafft ihr aus dem Büro Blöcke mit Rechnungsformularen, auf deren Rückseite sie zeichnet. Eines Tages bringt er ihr von einer Geschäftsreise nach Wien Pastellstifte mit. »Da war ich elf oder zwölf – die Schachtel habe ich immer noch, stets neu befüllt.« Der Hannoveraner Künstler Hans-Peter Koken gibt ihr Zeichenunterricht.
Über Stuttgart nach Reutlingen
An der Werkkunstschule Hannover studiert Gantzhorn Ende der 1950er-Jahre Grafikdesign. 1962 kommt sie mit ihrem Mann nach Stuttgart. Beim Ehapa-Verlag erstellt sie Schriftgrafiken für Comics und technische Zeitschriften. Zwei Söhne kommen zur Welt, 1968 zieht die Familie nach Mittelstadt, später nach Reutlingen. Gantzhorns malerisches und zeichnerisches Werk wächst, sie gibt auch Kurse in Zeichnen und Aquarellmalen an der Reutlinger Volkshochschule. Nach der Trennung von ihrem Mann wird sie 1980 Kunsterzieherin am Isolde-Kurz-Gymnasium, wo sie bis 1999 unterrichtet. Seither ist sie als freie Malerin aktiv.
Das Malen brauche sie existenziell, betont sie, manchmal sei es für sie geradezu lebensrettend. Nach einer Tuberkulose-Infektion in der Jugend sei das Malen das erste gewesen, was wieder ging. Noch heute sei es vor allem das Malen, das ihr nach einer Krankheit wieder aufhelfe. Besonders schätzt sie dabei das Eintauchen aus dem Alltag in die Sphäre der Konzentration, wie sie dem GEA erzählt.
Beseelte Landschaften
An ihren Motiven interessiert sie dabei das Individuelle, das Charakteristische, Beseelte. Porträts seien in jüngeren Jahren für sie wichtig gewesen. Gerade auch von älteren Menschen mit den Spuren des Lebens im Gesicht. Selbst in der Aktmalerei ist ihr immer auch das Gesicht wichtig. In ihren Stillleben wiederum porträtiert sie Pflanzen, Früchte, teils auch Vögel wie Individuen. Sogar in Landschaften entdeckt sie das Beseelte. Bäume werden unter ihrem Pinsel zu Tänzern; in Felsenklippen verbergen sich menschliche Körper.
Früher sei es ihr vor allem darum gegangen, ihre Motive spontan zu erfassen und sie mit Schwung auf die Leinwand oder das Papier zu bringen, sagt sie. Selbst im Freien hält sie bis heute die Dinge am liebsten sofort in Farbe fest. Weswegen sie Aquarellfarben schätzt, die leicht und transportabel sind.
Ausstellungsinfo
Die Ausstellung »Gudrun Gantzhorn. Langer Weg. Von der Natur zur Abstraktion« eröffnet am Mittwoch, 4. Juni, um 19 Uhr in der GEA-Redaktion am Reutlinger Burgplatz. Zugang ist über das Service-Center von der Burgstraße her. Umrahmt wird die Vernissage durch Chansons, vorgetragen von Yvonne Marli Schramm (Gesang) und Dorothee Schwiller (Klavier). Danach ist die Ausstellung an vier Samstagen jeweils von 10 bis 12 Uhr öffentlich zugänglich: am 14. Juni, 5. und 19. Juli sowie am 2. August. (GEA)
»Kubistisch zu malen, wäre mir früher nie in den Sinn gekommen«, erklärt die Malerin mit einem Lächeln. Zu sehr sei sie damals auf die schwungvollen Linien fixiert gewesen. Irgendwann jedoch begann sie, ältere Bilder zu überarbeiten. »Hier und da hat mir die Spannung im Bild gefehlt.« Einer Änderung folgte die nächste – und nach und nach verwandelte sich ihre Bildsprache. Details verschwanden, prismenartige Brüche und Facettenstrukturen erschienen. Ein Stück weit bewegten sich ihre Bilder in Richtung eines prismatischen Kubismus. »Beim abstrakteren Arbeiten hat der Maler größere Freiheiten, die Farben gegeneinander auszuspielen, sie zu kontrastieren«, findet Gantzhorn. Auch seien inzwischen die Schatten wichtige Ausgangspunkte für sie. »Ganz vom Gegenstand weggehen werde ich aber wahrscheinlich nie«, lacht sie.
Noch immer malt sie jeden Tag. Gerade im Alter sei ihr noch klarer geworden, wie existenziell das Malen für sie ist. Manchmal vergesse sie alles andere darüber. Ein Schlaglicht auf ihre neuere Produktion zeigt nun ihre Ausstellung in der GEA-Redaktion. (GEA)