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Großer Bahnhof für Udo Lindenberg in Tübingen

Das Neue Kunstmuseum Tübingen ist mit Bildern von Panik-Rocker Udo Lindenberg nach 14-monatiger Bauzeit eröffnet worden. Prominente wie Thomas Gottschalk und Rainer Langhans feierten mit. Auch Lindenberg selbst war nach Tübingen gekommen.

Udo Lindenberg bei der Eröffnung seiner Ausstellung im Neuen Kunstmuseum Tübingen.
Udo Lindenberg bei der Eröffnung seiner Ausstellung im Neuen Kunstmuseum Tübingen. Foto: Frank Pieth
Udo Lindenberg bei der Eröffnung seiner Ausstellung im Neuen Kunstmuseum Tübingen.
Foto: Frank Pieth

TÜBINGEN. Nach 14-monatiger Bauzeit steht es, das Neue Kunstmuseum Tübingen, und kann von diesem Samstag an besucht werden. Bei der Eröffnungsfeier für geladene Gäste, die gleichzeitig Vernissage der Premierenausstellung mit dem Titel »Udo Lindenberg – Panik in Tübingen« war, tummelten sich am Freitagabend neben Panik-Rocker Udo Lindenberg weitere Prominente wie Thomas Gottschalk, Fritz Egner und Rainer Langhans. Bei der von der Schauspielerin Sandra Quadflieg moderierten Veranstaltung sagte Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer an die Adresse der privaten Bauherren Bernhard Feil und Stephen Hamann gerichtet: »Sie können stolz und wir dankbar sein, was hier geschaffen und geleistet wurde.«

Feil sagte, er sei in Interviews wiederholt gefragt worden, ob es mutig oder verrückt sei, in diesen Zeiten ein privates Museum zu eröffnen. »Auf alle Fälle ist es ambitioniert.« Nicht zuletzt durch Künstler habe er gelernt: »Man sollte und man muss immer wieder die Wege des Gewöhnlichen verlassen. Die wahren Abenteuer entstehen im Kopf.« Und haben im Fall des Neuen Kunstmuseums Tübingen in dem von Architekt Albert J. Eisele entworfenen Gebäude Gestalt angenommen. Nikodemus Claudius Schnabel, Abt der Dormitio-Abtei in Jerusalem, nahm am frühen Abend die feierliche Segnung des Hauses vor und bekannte: »Ich habe hier Heimatgefühle. Ich komme selbst aus einer Künstlerfamilie, bin zwischen Staffeleien groß geworden.«

Rainer Langhans und Thomas Gottschalk im Neuen Kunstmuseum Tübingen.
Rainer Langhans und Thomas Gottschalk im Neuen Kunstmuseum Tübingen. Foto: Frank Pieth
Rainer Langhans und Thomas Gottschalk im Neuen Kunstmuseum Tübingen.
Foto: Frank Pieth

Der CDU-Landesvorsitzende Manuel Hagel gab zu bedenken: »Dass Abt Nikodemus Schnabel, Alt-68er Udo Lindenberg und ein politischer Rock ’n’ Roller wie Boris Palmer heute Abend am gleichen Ort sind, das schafft nur die Kunst. Denn Kunst ist Freiheit, Kunst schließt nie aus, sondern baut immer Brücken.« Der aus Sigmaringen stammende Musiker Noah Fischer, Mitglied von Lindenbergs Band und künstlerischer Leiter des Projekts »Hinterm Horizont macht Schule« der Udo-Lindenberg-Stiftung, umrahmte die Vernissage auf dem Saxofon unter anderem mit hinreißenden Interpretationen von Lindenbergs Ballade »Mädchen aus Ostberlin« und dem Song »Wozu sind Kriege da?«. Festredner Simon de Pury, ehemaliger Vorsitzender von Sotheby’s Europe, bescheinigte Udo Lindenberg, etwas zu haben, »was nur wenige Künstler haben: enorm viel Humor«. Er sei zudem ein »Living National Treasure«, also ein lebendiger Nationalschatz.

Was das Neue Kunstmuseum Tübingen bis zum 15. Juni 2025 zeigt - Bilder in »Panikcolor« -, nahm seinen Anfang Mitte der 90er-Jahre. Damals begann Udo Lindenberg (78) mit der Malerei, zauberte mit Hilfe von Eierlikör, Blue Curacao und anderen anregenden Getränken farbintensive »Likörelle« aufs Papier, schuf seine Acryrelle mit verdünnten Acrylfarben.

Malerei von Udo Lindenberg im Neuen Kunstmuseum Tübingen.
Malerei von Udo Lindenberg im Neuen Kunstmuseum Tübingen. Foto: Frank Pieth
Malerei von Udo Lindenberg im Neuen Kunstmuseum Tübingen.
Foto: Frank Pieth

Die Tübinger Ausstellung zeigt einen Querschnitt durch drei Jahrzehnte seines Schaffens. In den teils großformatigen Bildern inszeniert sich der gebürtige Gronauer gechillt als »Panik Präsident«, lässt in »Die Umkehrung der Erdanziehungskraft« Menschen fliegen, entwirft die »Menschenfamilie« als bunte Szene der Zugewandtheit, des fröhlichen Miteinanders. Satirischer Humor blitzt in Serien wie »Schatz, ich hab nichts anzuziehen« durch, Haltung in Werken gegen rechte Gewalt, die Neonazis als »Pimmelköppe« titulieren. Im entsprechenden Lied dazu zitiert Udo Lindenberg Heinrich Heines »Nachtgedanken« an (»Denk ich an Deutschland in der Nacht …«).

Auch seine Stasi-Akte hat der Rockmusiker, Autor und Maler Udo Lindenberg mit Zeichnungen und Kommentaren versehen. »Neue Anhänger/Verehrer hat er sicherlich nicht gewonnen (so wie er sich auf der Bühne zur Schau gestellt hat)«, heißt in der Akte über seinen Auftritt am 25. Oktober 1983 im Ostberliner Palast der Republik. Und: »Die ihn nach wie vor ›verehren‹ sind vorwiegend auch solche Bürger, mit denen wir Probleme haben in Fragen der Disziplin usw.« Lindenberg hat sich an anderer Stelle in der Stasi-Akte mit Hut, Brille und Sektglas in der Hand verewigt und dazu die an den ehemaligen DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker gerichteten Worte hingekritzelt: »Keine Panik, Honey«.

»Du sollst nicht ehebrechen« von Udo Lindenberg.
»Du sollst nicht ehebrechen« von Udo Lindenberg. Foto: Christoph B. Ströhle
»Du sollst nicht ehebrechen« von Udo Lindenberg.
Foto: Christoph B. Ströhle

Und dann sind da auch Auseinandersetzungen mit klassischen Stoffen aus der Literatur. In »Faust und die Sorge« platziert er den Titelhelden vor dem Hamburger Hotel Atlantic, Lindenbergs Wohnstätte. Er zeigt ihn aber auch im Handshake mit Mephisto (»Der Pakt«), reflektiert den Prolog im Himmel, die Walpurgisnacht und Auerbachs Keller. Und er widmet Orpheus und Eurydike mit rock’n’rolligem Pinselstrich ein vierteiliges Tableau von beeindruckenden Ausmaßen. Teile der Zehn Gebote (und von Lindenberg ergänzte weitere Gebote) sind an Stellwänden, die zu einem Peace-Zeichen angeordnet sind, zu entdecken.

Ausstellungsinfo

Die Ausstellung »Udo Lindenberg – Panik in Tübingen« ist bis zum 15. Juni 2025 im Neuen Kunstmuseum Tübingen, Schaffhausenstraße 123, zu sehen. Geöffnet ist täglich von 10 bis 18 Uhr. Öffentliche Führungen finden samstags, sonntags und feiertags um 11 und 15 Uhr statt. Eine Voranmeldung ist dafür nicht notwendig. (GEA)

In Tübingen hat sich Udo Lindenberg, wie er bei der Vernissage am Freitagabend sagte, mit großem Interesse das Hesse-Kabinett und den Hölderlinturm angesehen. »Mal gucken, was die Kollegen so machen«, nannte er das. Insbesondere von Hermann Hesse, den er als »Bruder im Geiste« bezeichnete, habe er viel gelernt. Lindenberg outete sich als Fan des Grundgesetzes und politischer Kunst. »Wir sind ein weltoffenes Land und das soll auch so bleiben«, sagte er. (GEA)