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Graffiti-Grünlinge und Rap-Novizen

REUTLINGEN.»Toll, dass alle vier Elemente, die die Hip-Hop-Kultur ausmachen, heute hier vertreten sind: Rap, Graffiti, DJing und Tanz«, lobte Attila Zanin aus Wien, der am Mittwochnachmittag einen der Hip-Hop-Tanz-Workshops bei Kultur vom Rande leitete. Mit seinem Assistenten Raphael Kadrnoska war er für den Old-School-Hip-Hop zuständig. 30 bis 40 Workshop-Teilnehmer erfuhren am eigenen Körper, was das ist - indem sie Stile wie Robot Dance, Wave oder Slow Motion ausprobierten.

»Old school« ist alles, was vor 1985 entstanden ist, erklären die Experten. Man denke beim Tanzen eher in Stilen als in Schritten. »Für mich ist das ein wichtiges Ventil. Ich brauche das wie die Luft zum Atmen«, sagt Attila Zanin, der vom Ballett her kommt. Man sei bei dieser Art von Tanz nicht auf Choreografien angewiesen, sondern könne die einmal begonnenen Bewegungen endlos fortsetzen.

Während Zanin spricht, geht im Festivalzelt nebenan Teresa Ceran aus Reutlingen Drehungen und Schrittfolgen beim New-School-Hip-Hop-Tanz durch. Eine Gruppe von Tänzern macht es vor, die altersmäßig gemischte Teilnehmergruppe vor der Bühne lässt nicht locker, bis der Ablauf auch bei ihnen sitzt.

»Das hat super geklappt, keiner hat aufgegeben«, kommt Zanin auf seinen Workshop zu sprechen. Besonders schön sei gewesen, dass die Teilnehmer sich gegenseitig geholfen hätten. »So ist Hip-Hop auch entstanden: Ich zeig' Dir was, du zeigst mir was.«

Raphael Kadrnoska hat mit Tanzkursen im Wiener Kultur- und Bildungsverein für Menschen mit und ohne Behinderung »Ich bin o.k.« angefangen. Später wurde er Gruppensprecher, inzwischen wird er als Assistent ausgebildet, lernt auch, wie man Kursstunden aufbaut und die Teilnehmer motiviert. Für Breakdance begeistere er sich besonders, sagt der junge Mann mit Handicap. »Darin kann ich mich ausdrücken.« Es hat schon was von Akrobatik, was er dem verdutzten GEA-Reporter spontan auf dem Platz bei der Stadthalle vorführt. Das Wiener Sozialministerium, erzählen die Gäste aus Österreich noch, unterstützt die Tänzer bei der Profiausbildung.

Smartphone-Zombies

Direkt neben dem Festivalzelt brüten einige Rapper über ihren Texten. Zwischendurch lassen sie immer wieder die Beats laufen, um zu sehen, ob das Ganze im Flow ist. Kabu und Graf Fidi, gestandene Rapper aus Tübingen und Berlin, geben Hilfestellung. »Auf den Beat schreiben«, nennt Florian aus Reutlingen den wichtigsten Tipp, den er als Rap-Novize an diesem Tag bekommen hat. Der 19-Jährige parodiert, wie er sagt, in seinem Text »Leute, die mit dem Smartphone rumlaufen wie Zombies - ein bisschen auch mich selbst«. Viel Mut brauche es, damit auf die Bühne zu gehen, gesteht er - und überlegt, ob er die Chance, die sich am späten Nachmittag mit der offenen Bühne bietet, ergreift. »Ich denke schon.«

»Kultur vom Rande« hat - mit einigen Helfern - Julius Zenker, der Leiter des Graffiti-Workshops, in riesigen Lettern auf Stellwände geschrieben, die bei der Abendveranstaltung im Zelt die Bühne schmücken sollen. An mehreren Dutzend Workshop-Teilnehmern ist es, die Buchstaben vielfarbig auszufüllen und Details zu ergänzen. Luca, ein neunjähriger Junge, findet derart Gefallen an der Arbeit mit der Sprühdose, dass er am liebsten die ganze Stadt verschönern würde. »Ich würde die Stadt vorher fragen.«

Manche Teilnehmer verewigen sich mit ihrem Namen, andere fügen Blümchen, Spiralen oder Herzen hinzu. (GEA)